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Kategorien-Archiv: Kolumne

Siider – Fallobst wird zu Fricktaler Feinkost

24 Sonntag Mai 2020

Posted by Bonvinvant in Aarau, Kolumne, Region

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Apfel, Apfelwein, Cider, Cidre, Frick, Fricktal, Hochstamm, Hornussen, Siider

Siider-Brüder: Cyrill und Ivan Hossli (v.l.).

Was ist noch erfrischender als prickelnder Apfelwein? Ein Tasting im kühlen Apfelweinkeller von Cyrill und Ivan Hossli! Ein urchiges Gewölbe aus Naturstein im Zentrum von Hornussen bei Frick. Hier haben die Brüder früher Feste gefeiert, seit 2013 produzieren sie hier Apfelwein aka Cidre. Oder wie es in der lokalen Lingo heisst: Siider.

Eigentlich ist Siider das Nebenprodukt einer Bieridee. Begonnen hat alles mit einem Holzfass. Ein Kumpel hat es zum Bierbrauen besorgt, dann aber doch keine Verwendung gefunden. Also haben Cyrill (24) und Ivan (28) das Ding mit Apfelmost gefüllt. Die Früchte kamen von den Hochstammbäumen der Grosseltern. Während der Grossvater die Mosterei zunächst kritisch beäugte, wurde der Siider im Freundeskreis mit Begeisterung aufgenommen. Wortwörtlich.

Das Tasting im kühlen Keller zeigt warum: Die Siider eignen sich perfekt, um an einem heissen Sommertag weggezischt zu werden. Sie sind frisch und knackig, haben eine feine Perlage und mit plus minus 7 Volumen einen moderaten Alkoholgehalt. Der aktuell verfügbare Siider trocken 2017 lässt sich salopp mit apfelig charakterisieren, auch etwas gelbes Steinobst, nicht so komplex wie Wein aus Trauben – aber auch nicht so kompliziert. Vergorener Apfelsaft, ungefiltert und ohne Zusatzstoffe. So, wie man das früher schon gemacht hat. Und wie er auch heute wieder von einigen Winzern als willkommene Ergänzung produziert wird.

Für ihren Siider verarbeiten Cyrill, Winzer und werdender Önologe, und Ivan, Baumpflegespezialist mit Cidrerie-Erfahrung in der Bretagne, nicht nur die Äpfel der Grosseltern – sie besorgen sie sich auch bei Bauern aus der Umgebung. Wenn möglich aus Bio-Anbau. Wobei viele Hochstämmer sowieso kaum gespritzt werden, da ihre Früchte oft keine Verwendung mehr finden. Da kommen die Siidre-Brüder gerade recht. Sie machen Fallobst zu Fricktaler Feinkost.

Aktuell umfasst das Sortiment einen Schaumwein und einen Stillwein. Der Most-Mix aus verschiedenen Sorten wird über ein Jahr in gebrauchten Weinfässern ausgebaut. Gefragt sind Sorten wie Bohnapfel oder Boskop mit viel Säure und Gerbstoff neben der Frucht. Als besonderes Zückerli gibt’s irgendwann einen Eis-Siider, ein bernsteinfarbiges Konzentrat – gekeltert aus gefrorenem Most – das mit seiner Süsse und der reifen Fruchtaromatik perfekt als Dessertbegleiter taugt.

Bevor dieser süsse Siider im Umlauf ist, wird bald der Jahrgang 2018 lanciert – und das Lineup mit sortenreinem Siider erweitert. Wie Trauben sollen auch Äpfel ihren individuellen Charakter zum Ausdruck bringen dürfen: Der Boskop ist hefig und herb, der Bohnapfel weicher und fruchtiger – sie ergänzen sich perfekt. Wie die beiden Brüder.

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Lagrein, der gute Stoff vom Himmelsdach

12 Dienstag Mai 2020

Posted by Bonvinvant in Italien, Kolumne

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alpiner Wein, Alto Adige, Cantina Tramin, Dolomiten, Italien, Lagrein, Muri-Gries, Pergola, Südtirol, Tramin, Vernatsch

Rumhängen auf der Pergola: Die Top-Lagrein von Muri-Gries und der Cantina Tramin.

In einer Pergola lässt es sich gut leben. Als Traube fände ich das voll ok. Einfach so rumhängen da oben in einem Himmel aus Blättern. Im Frühling macht sich der Frost am Boden entlang vom Acker und im Herbst hängen meine süssen Früchte in luftiger Höhe – unerreichbar für das verschleckte Wild. Und der Wind, der von den Bergen herunterweht, kitzelt untenrum und sorgt dafür, dass es nie zu feucht wird im Gebälk. Nur der Hagel… tja. Manchmal gibt’s halt aufs Dach.

Ich wäre Italiener, umgeben von Alpen und Deutsch sprechenden Winzern. Wo bin ich? Im Südtirol aka Alto Adige! Das Engadin liegt hier näher als die italienische Schweiz – aber im Ticino gibt’s immerhin noch vereinzelt Weine von der Pergola. Wenn auch oft nur von «Chatzeseicherli»-Trauben. Nicht so im Südtirol. Hier hängt der gute Stoff am Himmelsdach. Aber auch hier musste die Pergel-Erziehung in den letzten Jahrzehnten untendurch. Wenn die Reben-Soldaten Spalier stehen ist das halt einfach wirtschaftlicher.

Dabei werden aus diesen Hochstämmern grandiose Weine gekeltert! Das beweisen zwei Lagrein Riserva-Weine des jetzt erhältlichen Jahrgangs 2017: Der «Abtei Muri» von Muri-Gries und der «Urban» der Cantina Tramin. Beide enthalten auch Pergola-Trauben.

Berge, Bäume, Reben…so siehts aus im Südtirol – hier leider ohne Pergola.

Lagrein ist neben Vernatsch die wichtigste rote Sorte der Weisswein-Bastion Südtirol. Hier, wo mit knapp 5500 Hektar etwas mehr Reben wachsen als im Wallis, steht über die Hälfte des weltweiten Lagrein-Bestandes. Tendenz steigend. Er ist der Lokalmatador, der bloody Boss in der Hood. Die beiden Beispiele zeigen warum: alpine Rotweine mit Charme und Kraft eines Südländers und der ätherischen Frische eines Cool-Climate-Crus. Weine mit ordentlich Säure und Tannin, aber auch mit Frucht, Schmelz und Power. Manchmal kann Lagrein auch etwas rustikal sein. Er ist halt ein Bergler.

Die Lagrein von Muri-Gries besticht mit dunkler Frucht, floralen Nuancen und animierender Kräuterwürzigkeit. Der Tramin-Cru ist reifer, opulenter, mit süsslicher, noch vom Barrique geprägter Aromatik und samtweichem Abgang. Beide symbolisieren die Entwicklung vom Massenträger zum Spitzenwein, der vermehrt nach Einzellage abgefüllt wird.

Sie erzählen die Geschichte von Schweizer Benediktinern, die 1845 von Muri nach Bozen kamen, um die Abtei in Gries zu übernehmen. Oder von der Cantina Tramin, die beweist, dass man auch als Genossenschaft Spitzenweine von Weltformat keltern kann. Die historische Abtei steht im Talkessel von Bozen, Provinzhauptstadt und Lagrein-Epizentrum. Die Cantina Tramin thront talabwärts in einem futuristischen Neubau, einer ziemlich krassen Bude für eine Genossenschaft. 

Umklammert werden beide Weingüter durch die Berge. Vom Süden her weht der süsse Wind des italienischen Dolce Vita. Es muss nicht immer Nebbiolo oder Sangiovese sein. Manchmal muss Lagrein rein. Am besten von der Pergola.

Das Kellereigebäude der Cantina Tramin: die Fassadenstruktur erinnert an Rebranken.
Klein und verschwommen: Da hat’s doch noch ne Pergola ins Bild geschafft (oben links).

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Eine Südtirol-Reportage zur Bergwerk-Bergung «Epokale»-Gewürztraminers der Cantina Tramin gibt’s hier zu lesen.

Teebeutel und Fruchtfliegen – Lektionen in Demut

26 Sonntag Apr 2020

Posted by Bonvinvant in Im Garten, Kolumne, Mein Weinexperiment

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Birstaler Muskat, DIY, Garten, Muskat

Ich bin aufs Schlimmste vorbereitet. Darauf, dass der Wein nach abgestandenem Blumenwasser stinkt. Oder nach nassem Hund. Auf bittere Aromen, die sogar eine Artischocke schockieren würden. Vor mir steht nicht irgendein Wein, sondern mein Wein! Birstaler Muskat 2019 aus dem eigenen Garten. In dieser surrealen Zeit der Isolation ist der Moment der Wahrheit gekommen: Tauge ich als Wein-Selbstversorger? Zögerlich ziehe ich der Flasche den Zapfen aus dem Rachen.

Aufatmen. Die Farbe ist ganz ok. Eine milchige Mischung aus Lachsorange und Bronze. So sieht es aus, wenn der Saft der weissen Trauben nach der Ernte nicht direkt abgepresst wird. Ich habe die Fruchtsauce aus Saft, Fleisch, Häuten und Kernen (aka die Maische) vier Tage lang ziehen lassen wie einen Teebeutel. Orange Wine! Die satte Farbe steht im gut. Aber der Härtetest folgt ja erst noch.

Doch – das ist ein Wein

Durchatmen. Im Glas zappeln bereits Fruchtfliegen. Ein gutes Zeichen? Die ersten Duftnoten machen Hoffnung: Orangenschale, Orangenblüten, Grüntee und eine feine Kräuterwürzigkeit – so riechen auch andere Weine dieser Machart! Es ist ein Wein! Jetzt nur nicht euphorisch werden. Mit der Zeit kommt nämlich ein säuerlich beissender Duft dazu. Nicht gut. Könnte Essigsäure sein. Fruchtfliegen mögen Essig. Gopf!

Jahrelang habe ich die Pergola mit Birstaler Muskat – eigentlich eher eine Tafeltraube –gehätschelt als wäre sie der wertvollste Rebberg der Welt. Habe sie hochgebunden und runtergeschnitten, vor hungrigen Wespen und stramm geschossenen Fussbällen geschützt. Habe Oechsle gemessen und Tagebuch geführt. Und jetzt das!

Neue Seuche oder gelungenes Experiment?

Ausatmen. Folgt die Ehrrettung im Mund? Nein. Mein Gaumen zieht sich zusammen als hätte ich in eine Orange gebissen – mit Schale. Sehr krautig, viele Gerbstoffe. Vielleicht war das keine so gute Idee mit dem Teebeuteln? Könnte aber auch sein, dass es nicht optimal war, dass ich damals auf Polterreise in Malle war als der Wein fertig war mit der Gärung. Dann wird er nämlich besonders anfällig für unerwünschte Effekte – Oxidation zum Beispiel. Oder Essigstich. Habe ich da etwa aus Versehen eine neue Seuche gezüchtet? Aus Fehlern lernt man. Und ich habe schon verdammt viel gelernt!

Ich schnappe nach Luft. Der Wein auch. Es tut ihm gut – er gibt sich nun etwas sanftmütiger und kann beinahe als trinkbar betitelt werden. Er ist mit Sicherheit mein bisher erfolgreichstes Experiment. Die Flasche ist jedenfalls fast leer (eine von insgesamt vier). So weit bin ich noch nie gekommen. Auch wenn die Sinne schon etwas getrübt sind, sehe ich eines glasklar: Das Weinmachen überlasse ich auch in Krisenzeiten lieber den Profis. Schliesslich gibt es so viele gute Winzer, deren Weine unsere Aufmerksamkeit verdienen. Auf sie mit Gebrüll!

BVNT Birstaler Muskat 2019 – Facts & Figures

  • Geerntet am 14. September 2019
  • 90° Oechsle im Schnitt
  • Ernte-Menge: rund fünf Kilo
  • Most-Menge: 3,2 Liter
  • 4 Tage auf der Maische
  • Abfülldatum: 13. Oktober 2019
  • Produktion: 4 Flaschen (2x mit SO2-Zusatz, 2x ohne)
  • Reben: zwei Pergola-Rebstöcke im siebten Jahr

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Aurèle Morf – sein Cabernet kommt aus dem Jura

20 Montag Apr 2020

Posted by Bonvinvant in Kolumne, Schweiz

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Bern, Birs, Birstal, Cabernet Jura, Cave Saint-Germain, Chardonnay, Jura, Moutier, Piwi, Sauvignon Blanc, Soyhières, Valentin Blattner

Aurèle Morf, Meister des Cabernet Jura.

Moutier war kein Weinbaudorf. Zumindest nicht bis 2008. Dann kam Aurèle Morf und hat hier – mit dem Übermut eines jungen Wilden – einen Rebberg angepflanzt. Schön erhöht gelegen am Rand des Städtchens neben einem Gefängnis und der Kirche Saint-Germain. Benannt hat er sein Weingut nicht nach dem Knast, sondern nach dem stattlichen Gotteshaus, das seinen Namen wiederum einem der Stadtväter verdankt.

Aurèle Morfs Cave Saint-Germain befindet sich in einem historischen Gewölbe ein paar Steinwürfe von der Kirche entfernt. Die Schatzkammer liegt hinter einem stattlichen Holztor mit kunstvollen Gravuren – ein Winzer und ein Skelett. Die angrenzende Mauer muss schon einiges erlebt haben, sie ist verwittert und von Moos überwuchert. Als jüngster Zeitzeuge prangt ein Slogan an der Wand: «Moutier, ville jurassienne!», daneben das Jura-Wappen. Das scheint nicht allen zu passen – beides wurde wieder durchgestrichen. Dope sprayen können beide Seiten nicht.

Kirche, Knast und Rebberg – die heilige Dreifaltigkeit dieses Weinbergs.

Man ist sich immer noch nicht einig, ob das Städtchen südlich von Delémont lieber – wie aktuell – zu Bern oder eben doch zum Kanton Jura gehören soll. Auf der anderen Strassenseite, hinter einer ebenso verwitterten Mauer, wird mit lauter Musik gefeiert – surreale Szenen währen des Corona-Lockdowns. Ob die wissen, dass der Nachbar den geilen Stoff im Keller hat?

Landwein vom Feinsten

Betreten wir Aurèle Morfs Reich. Den kühlen Keller. Hier hat er 2005 seine ersten Weine gekeltert. Da wuchsen in Moutier noch gar keine Trauben. Diese besorgte sich der junge Wanderarbeiter im Wallis oder im Tessin. Einige dieser Weine hat Morf heute noch im Sortiment. Etwa den «Funambulesque 2016», eine Assemblage aus Chardonnay und Sauvignon Blanc mit krass aromatischem Bouquet – reifes gelbes Steinobst, flankiert von süsslicher Würze – und mineralisch-frischem Kontrastprogramm im Gaumen. Die Trauben wachsen im Wallis, was auf dem Etikett aber verheimlicht wird. «Vin de Pays Suisse», steht da – das ist weinrechtlich die Kategorie, in der experimentierfreudige Winzer die grössten Freiheiten haben.

Cabernet Jura: Ziemlich Pilzresistent, aber gegen Hagel und Wild braucht’s trotzdem ein Netz.

Künftig möchte sich Morf auf seinen kleinen Hausberg in Moutier fokussieren. Schweizer Jura – diese Hood haben nur eine Handvoll Winzer vorzuweisen. Ausserdem kultiviert Morf hier mit Cabernet Jura eine Rebsorte, die noch ziemlich neu und unbekannt ist. Und die hier im Jura gezüchtet wurde: in Soyhières, wenige Kilometer birsabwärts zwischen Delémont und Basel.

Cabernet Jura, der Boy aus der Hood

Cabernet Jura ist eine Nordwestschweizer Rarität aus dem Birstal, gezüchtet von Valentin Blattner, der Anfang 90er-Jahre seine Rebenzucht von Reinach in den Jura verlegte. In ein Tal, das eigentlich viel zu feucht ist für Weinbau – aber perfekt für Blattner, der auf die Zucht sogenannter PiWi-Rebensorten spezialisiert ist. Das sind pilzwiderstandsfähige Kreuzungen europäischer Vitis Vinifera-Sorten mit resistenten Arten aus Amerika oder Asien. Beim Cabernet Jura hat Cabernet Sauvignon als Vater mitgepimpert. Der Vorteil von PiWi-Neuzüchtungen: dank ihrer Resistenz müssen sie viel weniger gespritzt werden. Sie sind ökologischer. Ihr Nachteil: die Weine können geschmacklich etwas ungewohnt daherkommen. Beim Cabernet Jura macht sich das, wie ich finde, je nach Machart durch eine ausgeprägte Kräutrigkeit bemerkbar.

Junger Veteran einer noch jüngeren Rebsorte

Diese ist auch bei Aurel Morfs «Enclos des deux Saints 2017» zu finden und erinnert an Lorbeerblätter oder grüne Peperoni. Daneben sorgen kräftige Fruchtnoten – etwa schwarze Johannis- oder Holunderbeeren – sowie eine süssliche Würze für Balance.

Links der «Clos des Deux Saints» – rechts der fantastische Funambulesque 2016.

Wohin der Weg bei Aurèle Morfs Cabernet Jura gehen könnte, zeigen die Fassproben: Aus seinen 0,6 Hektar in Moutier hat er 2019 drei verschiedene Weine gekeltert: Schaumwein und Rosé, beide frischfruchtig und mit unverschämtem Trinkfluss, sowie einen dichten Rotwein mit Lagerpotenzial.

Man merkt: Morf hat den Dreh raus beim Umgang mit dieser so jungen Rebsorte. Kein Wunder. Seine ersten Erfahrungen hat er 2002 bei Valentin Blattner gesammelt.

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Sherry – der unzerstörbare Allrounder vom Atlantik

29 Sonntag Mär 2020

Posted by Bonvinvant in Kolumne, Spanien

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Amontillado, Fino, Oloroso, Palomino, Sherry

Amontillado ist ein Mix aus Fino und Oloroso: Dazu gibt’s Erdnussbutterbrot mit Essiggurken.

Es muss nicht immer eine ganze Pulle sein. Manchmal reicht es, zweimal am Glas zu nippen für einen Augenblick der Glückseligkeit. Aber ist die Flasche erstmal offen, beginnt das Dilemma: der Wein muss vernichtet werden bevor die Luft ihn killt und er oxidiert.

Klar. Es gibt das vielgelobte Coravin-System, mit dem Wein-Junkies ihre Ration durch eine feine Nadel aus der Flasche ziehen können. Dabei bleibt Korken unversehrt und der zurückbleibende Flaschengeist kann ohne Qualitätseinbusse weiter in der Pulle schlummern können bis Aladdin wieder an der Lampe rubbelt.

Wein-Domino ohne Jahrgang

Man kann sich’s auch einfach machen: Mit einem unfickbaren Wein, dem Luft fast nix mehr anhaben kann, weil er sie schon in der Kinderstube tüchtig inhaliert hat. Über Jahre. Mit Absicht. Sherry! Straight von der andalusischen Atlantikküste. Er wird über Jahre, zum Teil Jahrzehnte, in zu zwei Dritteln gefüllten 600-Liter-Fässern ausgebaut – in einem Solera-System.

Dieses besteht aus einer Batterie an Fässern mit unterschiedlichem Alter. Dabei wird jeweils ein Drittel des jüngeren Jahrgangs in ein Fass mit älterem Sherry umgefüllt. Ein Wein-Domino mit bis zu über einem Dutzend Generationen-Bausteinen. Deshalb hat Sherry meist keinen Jahrgang. Man müsste eher das Jahrzehnt auf die Etikette schreiben.

Während die filigranen Fino-Sherrys unter einer Schicht Florhefe reifen, die den Luftkontakt drosseln und für typische Gebäcknoten im Wein sorgen, werden die üppigeren Oloroso-Sherrys oxidativ ausgebaut. Ohne Flor, dafür mit der vollen Ladung Luft. Ein Amontillado ist ein Mix beider Spielarten. Das Beste beider Welten. Und ein solcher hat mir die Augen geöffnet und den Mund gestopft.

Vergiss das Klischee!

Lange habe ich gedacht, Sherry sei altbackenes Zeug. Ein doofes Klischee! Deshalb geschieht es mir recht, dass mir dieser Amontillado beim ersten Kontakt die Fresse poliert hat. Nicht nur, weil er auch etwas nach Möbelpolitur geduftet hat. Sondern weil mich diese erdig-nussige Aromatik, vor allem aber diese intensive atlantische Meeresluft – daran erinnert mich Sherry mit seinen jodig-salzigen Nuancen – komplett weggeblasen hat.

Es war ein bernsteinfarbiges Elixier aus dem Haus J.C. Gutiérrez Colosía, wie die meisten Sherrys gekeltert aus der eher neutralen Palomino-Traube, gewachsen auf kargen Kreideböden rund um die Stadt Jerez. Der Amontillado steht seither stets als Schlummerbecher oder Kummerbrecher bereit.

Sherry wird wie Portwein aufgespritet – also mit Alkohol gestreckt. Der Colosía-Amontillado hat 18 Volumenprozent, flankiert von einer kräuterwürzigen Frische. Daneben werden auch eingelegte Dörrpflaumen und kandierte Früchte serviert.

Zu diesem Saft habe ich mein bisher eigenwilligstes Foodpairing entdeckt – Brot mit Erdnussbutter und Essiggurken. Auch ein innen flüssiger, noch warmer Schokokuchen passt wunderbar. Und danach eine Zigarre! So eigenwillig dieses Getränk ist, so vielseitig kann es kombiniert werden. Ein unzerstörbarer Allrounder.

Auch eine Zigarre harmoniert wunderbar mit dem Amontillado von Colosìa.

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Weltherrschaft dank alten wilden Walliser Reben

07 Samstag Mär 2020

Posted by Bonvinvant in Kolumne, Uncategorized, Wallis

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Chanton, Chanton Weine, Chosy, Eyholzer Roter, Gouais Blanc, Gwäss, Heunisch, Himbertscha, Josef-Marie Chanton, Lafnetscha, Mario Chanton, Oberwallis, Plantscher, Resi, Schweiz, Visp, Wallis

Verstossen, vergessen und fast ausgestorben. Wer die Weine der Visper Winzerfamilie Chanton verkostet, entdeckt absolute Raritäten: Weisse Rebsorten wie Lafnetscha, Himbertscha, Plantscher, Gwäss und Resi oder Eyholzer Roter. Sie wurden von Josef-Marie «Chosy» Chanton seit den 70er-Jahren in verwilderten Restbeständen wiederentdeckt und neu angepflanzt.

Himbertscha und Plantscher, beide mit einem Schweizer Bestand von weniger als einem Hektar, gibt’s ausschliesslich bei Chanton zu kaufen. Der Oberwalliser Familienbetrieb hat das Monopol auf die Sorten – weltweit. Bei Lafnetscha teilen sich vier Winzer die Weltherrschaft. Die Raritäten werden immer beliebter – Seltenheit macht sexy. Früher wurden sie stiefmütterlich behandelt.

Früher «Bettschisser», heute Übermutter

Plantscher musste als Sammelbegriff für unbekannte weisse Sorten herhalten. Der säurebetonte Gwäss (aka Gouais Blanc, Heunisch oder «Bettschisser»…Elternteil einiger der heute bekanntesten Rebsorten) wurde mit Vorliebe am Rand der Weinberge angepflanzt, um naschenden Traubendieben denn Appetit zu verderben (bevor er mit Fendant ersetzt wurde). Und der Lafnetscha war lange als Warnung zu verstehen: Das lapidare «Laff nit scho» hiess soviel wie «trink noch nicht» – so ruppig muss der junge Wilde nach dem Abfüllen gewesen sein. Früher wurden viele Sorten allerdings auch oft nicht ganz ausgereift und mit hohem Ertrag geerntet. Die Konsequenz: Massenweine mit zweifelhaftem Ruf.

Josef-Marie Chanton und Sohn Mario, der das Weingut seit über zehn Jahren führt, haben die Oberwalliser Raritäten nicht nur wiederbelebt. Sie haben sie auch rehabilitiert, indem sie beweisen, dass diese Sorten hervorragende Weine hervorbringen. Wilde weisse Walliser mit eigenem, manchmal eigenwilligem Charakter.

Weltherrschaft – jawoll!

Schön zu sehen etwa beim Himbertscha und beim Plantscher aus dem Jahr 2018. Beide spontan vergoren, wie alle Chanton-Weine. Ein kongeniales Duo: Während der Himbertscha mit opulenter Frucht (ja, auch etwas Himbeere, der Name kommt aber von «im Bercla» – in der Pergola), exotischen Nuancen und einer frischen Kräutrigkeit in der Nase überzeugt, trumpft der Plantscher mit seinem rustikal-kargen Bouquet vor allem im Gaumen auf. Mit einem kraftvollen, würzig-herben Finish. Trotz weniger als 12 Volumen haben die Crus einen recht üppigen Körper mit cremiger Textur.

Die Weine sind der beste Beweis, dass es sich als Winzer lohnt, auf das Erbe ureigener Reben zu setzen. Vor allem wenn man dann die Weltherrschaft über diese Sorte hat.

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Radau an der Raw: Blut, Bienen und Blaufränkisch

15 Sonntag Dez 2019

Posted by Bonvinvant in Kolumne

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Andrew Tape, Ballot-Flurin, Bambule, Berlin, Bernstein, Blaufränkisch, Burgenland, Hárslevelü, Hiyu Wine Farm, Hydromel Pétillant, Judith Beck, Markthalle Neun, Met, Muskat, Nate Ready, Naturwein, Neusiedlersee, Noita Winery, Oregon, Raw, Raw Wine, Remi Ballot, Salvatore Marino, vin libre, vin naturel, Weingut Hummel, Weingut Judith Beck, Weinmesse

Tatort Weinmesse. Die Blutlache am Boden ist gross wie das Mittelmeer. Zum Glück hat niemand gesehen, dass der randvolle Spucknapf nicht von Geisterhand von der Tischkante geschupst worden ist… So ein Ende hat dieser Wein nicht verdient. Er stammt von Salvatore Marino aus Sizilien. Seine frischen Crus sind eine meiner Entdeckungen der «Raw Wine». Die deutsche Ausgabe dieser Weinmesse hat kürzlich Berlin gerockt. Der Name ist Programm: die Weine sind raw – naturbelassen im besten Sinn.

Eine weitere Trouvaille: Die Hiyu Wine Farm aus Oregon. Mit seinem langen weissen Bart erinnert Winzer Nate Ready an den legendären US-Musikproduzenten Rick Rubin. Seine Spezialität sind «Field Blends». Weine aus verschiedenen Traubensorten, die im selben Weinberg wachsen und zusammen geerntet und gekeltert werden. In Österreich nennen sie das «Gemischter Satz». Ob es dort Winzer gibt wie Nate Ready mit seinen über hundert Rebsorten im Weinberg?

Ein Bart wie Rick Rubin: Nate Ready aus Oregon, Meister der «Field Blends».

Eher unter die Rubrik «kann man machen» fallen die hip designten Weine der Noita Winery aus Finnland – gemacht Trauben, die in Österreich eingekauft wurden. Die Winzer hatten dem Naturwein-Publikum allerhand zu erklären. Die Weine kann man unter «Horizonterweiterung» verbuchen. Mehr nicht.

Ungewöhnlich sind auch die Crus von Ballot-Flurin aus Südwestfrankreich. Der Hydromel Pétillant ist ein Pet Nat-Schaumwein mit Honig und Lavendel. Sozusagen ein Met Nat. Das Projekt der Bio-Imkers Remi Ballot und dem Kanadier Andrew Tape ist extrem interessant – die Honigweine sind Geschmackssache.

Auf zur nächsten Blüte. Zum ungarischen Weingut Hummel. Hier summt die Biene auf dem Etikett. Der «Bernstein 2018», gekeltert aus der ungarischen Rebsorte Hárslevelü (bitte zehnmal ganz schnell nachsprechen), ist unglaublich saftig. Nektar!

Trouvaillen von der «Raw Wine» – der Bambule! Blaufränkisch von Judith Beck und der Bernstein aus dem Hause Hummel.

Die Offenbarung folgt am Stand der Winzerin Judith Beck. Das Weingut der jungen Österreicherin liegt am Neusiedlersee nahe der ungarischen Grenze. Besonders beeindruckend: die Weine ihrer «Bambule!»-Serie. Bambule ist Gaunersprech und steht für lautstarken Gefängnis-Radau. Es sind ihre rawsten Weine. Unfiltriert, ungeschwefelt – und unglaublich gut.

Der Muskat kann kaum verbergen, dass er aus einer Aromensorte gekeltert wurde. Der opulente Duft nach Muskat, Orangenschale, Grüntee und hellen Blüten wird begleitet von einer ätherischen Kräuterwürzigkeit, die der Wein seiner fast zweiwöchigen Maischestandzeit verdankt.

Auch Becks roter Bambule, ein Blaufränkisch, trumpft mit ätherischen Nuancen auf. Dichtgewoben, von kühler Eleganz mit zünftig Tannin und Aromen dunkler Beeren, Pfeffer, Zedernholz und Paprika. Ich notiere: Blaufränkisch – muss öfter getrunken werden! Dieser Wein landet nicht am Boden wie der arme Sizilianer – sondern im Reisegepäck.

Dieser Beitrag wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Frische Weine aus dem Süden: Salvatore Marino keltert seine Turi-Weine aus sizilianischen Sorten. Sie sind unverschämt saftig – und preiswert.

Von lebendigem Saft und ausgekochten Schlitzohren

27 Mittwoch Nov 2019

Posted by Bonvinvant in Kolumne

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Ausbau, Gärung, Maische, Maischeerhitzung, Maischeerwärmung, Mikroorganismen, Spontangärung, vins vivants, Weinbau, Weinkeller

Das Können der Kellermeister: Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Technik, Kunst und Kommerz.

Ich habe Glück: Der Wein, den ich aus meinen Garten-Trauben zu machen versuche, muss nicht verkauft werden. Bei Winzern hingegen hängt deren Existenz von der Frucht ihrer Arbeit ab. Die Ernte ist inzwischen im Trockenen und die Arbeit in den Kellern läuft auf Hochtouren. Im Rebberg hat die Natur den Takt vorgegeben.

Jetzt kann der Kellermeister – oder die Kellermeisterin – den Weg des Weins stärker mitbestimmen. Wie stark dabei eingegriffen wird, ist eine Frage der Philosophie. Und des Geldes. Schliesslich wird hier die Existenzgrundlage verarbeitet. Der Spielraum für Experimente ist also oft begrenzt.

Kniffe und Kosmetik

Es müssen Entscheidungen getroffen werden, die den Charakter des werdenden Weines entscheidend prägen. Die einen setzen auf Kniffe und Kosmetik und nutzen dabei allerlei technische Hilfsmittel. Andere frönen dem kontrollierten Nichtstun, wie es so schön heisst.

Der Weg vom Weinberg in die Weinflasche kann anspruchsvoll und nervenaufreibend sein. Aber es gibt Abkürzungen. Zumindest für die Techniker. Etwa indem die Maische – dieser glibbrige Matsch aus Traubenhäuten, Saft und Fruchtfleisch – erwärmt oder erhitzt wird.

Eine gängige Methode unter ausgekochten Schlitzohren. Gerb- und Farbstoffe werden rascher extrahiert – und Mikroorganismen weggekocht. Damit der Most trotzdem zu gären beginnt, wird er mit Reinzuchthefen wiederbelebt. So entstehen runde und aromatische Weine – manchmal aber leider auch kitschige oder verkochte.

Mikroorganismen als Magier

Der andere Weg der «Weinwerdung» ist steiniger. Hier marschieren alle durch, die möglichst ohne Manipulationen und Zusatzstoffe Wein keltern wollen. Dazu müssen die Trauben kerngesund sein – hier werden die Mikroorganismen nämlich als Helferlein rekrutiert. Etwa die auf den Traubenhäuten und im Keller vorkommenden wilden Hefen. Sie ermöglichen eine Spontangärung.

Mit Können, Erfahrung und Fingerspitzengefühl lässt sich der lebendige Saft so steuern, dass Wein entsteht, der tatsächlich nicht viel mehr ist als vergorener Traubensaft. Deshalb werden diese Crus auch gerne als «vins vivants» beschrieben. Von wegen kontrolliertes Nichtstun!

Aber keltern können muss man halt schon. Egal ob technisch oder naturbelassen. Ich jedenfalls habe Pech, muss meine Weine zwar nicht verkaufen – dafür aber selber saufen. Dazu aber ein andermal mehr.

Dieser Beitrag wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Winzer-Utensilien: Schläuche, Gärfilter, Schwefel-Schnitten.

Alsace gone wild – Piraten, Partisanen und Punks

17 Sonntag Nov 2019

Posted by Bonvinvant in Dreiland, Elsass, Kolumne

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Alsace, Brutes, Domaine in Black, Dreiland, Dreiländereck, Elsass, Lambert Spielmann, Mulhouse, natural wine, Naturwein, partisan, Punkt, Raisins Sociaux, Riesling, Rouffach, Saint-Pierre, vigneron, vin libre, vin naturel

Frei wie der Wein: Der 2018er-Riesling markiert Lambert Spielmanns zweiten Jahrgang.

Die polternden Fäuste der singenden Winzer bringen die Weinflaschen auf dem Tisch zum tanzen. Dahinter hängt eine Piratenfahne an der Wand. Auf den Etiketten der tanzenden Traubensäfte steht «Libre Comme Le Vin», «Socialitre» oder «Mafia Vin Free». Es ist spät. Es ist laut. Es wird gelacht.

Hier, am Stand dieser jungen, wilden Elsässer Winzer, lässt sie sich gut ausklingen, die «Brut(es)» – eine Weinmesse in Mulhouse, die sich ganz den «vins naturels» verschrieben hat. Die lebendigste Ecke wird von den jungen Elsässern besetzt, das ist nicht zu überhören. Raisins Sociaux heisst das Weinkollektiv. Daneben Lambert Spielmann. Auf seiner Visitenkarte steht Partisan Vigneron.

Ein cooles Bild geben sie ab mit ihren Irokesenschnitten, Motörhead-Pullis und den stylischen Weinetiketten. Aber was heisst das schon? Winzer nach Sympathiepunkten abzugrasen ist so oberflächlich, wie Weine nach dem Etikett einzukaufen. Also Obacht!

Erster Schluck. Erleichterung. Die können was! Der Rosé der Raisins Sociaux bietet unkomplizierten Trinkspass. Manche Crus sind noch etwas ungehobelt und rustikal – wie ihre Macher, könnte man jetzt floskeln – aber sie gehen runter wie nix. Die Piratenstory hinter einigen Weinen lässt aufhorchen: gekeltert aus Trauben, die man sich von verlassenen Rebbergen besorgt hat.

Partisan Vigneron: Lambert Spielmanns Weingut heisst «Domaine in Black» – wer ist wohl Lambert auf diesem Bild?

Das Revier der Freibeuter liegt bei Rouffach zwischen Mulhouse und Colmar. Lambert Spielmann, ihr partner in crime nebenan, keltert seine Crus in Saint-Pierre etwas weiter nördlich. Sein Riesling «Libre Comme Le Vin 2018» offenbart Noten von gelbem Steinobst, frisch angeschnittenem Apfel, Zitronengras und hellen Gewürzen. Ein Weisser mit kühl-kargem Charme und vibrierender Säure – vor allem in Anbetracht des heissen Jahrgangs. Im Abgang mit einer schönen Salzigkeit, die der Winzer dem Alter der 70- bis 80-jährigen Rebstöcke zuschreibt.

Die Reben hat Spielmann gepachtet. Anders als viele andere Elsässer Winzer entstammt er nicht einer Weinbaudynastie. Sein Riesling markiert erst die zweite eigene Ernte. Einen Weingutnamen sucht man auf dem 2018er-Etikett vergebens. Inzwischen hat der 31-Jährige einen kleinen Einmannbetrieb gegründet, die Domaine in Black. In Anlehnung an seine Lieblingsfarbe, seinem Hund Blacky und den dunklen Kleidungsstil, den der «Partisan Vigneron» gerne pflegt als Bassist der Punkband «La Consigne». Das macht den Wein natürlich nicht noch besser. Die Story aber schon.

Gib mir die Ghettofist: Links das Duo von Raisins Sociaux, dahinter der Partisan – sozusagen in Deckung.

Dieser Artikel wurde erstmals in der bz Basel publiziert.

Poolboy mit Pappbecher – ein Vitovska straight outta Karton

18 Freitag Okt 2019

Posted by Bonvinvant in Italien, Kolumne

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Edi Kante, Friaul, Friaul-Julisch-Venetien, Italien, Kante, Karst, Lido, Triest, Venedig, Vitovska

Au Pappe: Poolboy mit Pappbecher, kürzlich in Venedig.

Wie dieser Weisswein leuchtet – strahlend gelb wie eine Zitrone im Schnee. Das muss am weissen Pappbecher liegen. Schöner Kontrast! Fast so krass wie die Diskrepanz zwischen dem Trinkgerät aus Karton und diesem exquisiten Hotel am Lido von Venedig. Wenn es darum geht, ein Weinglas an den Pool zu schmuggeln, hört hier der Spass auf beim Padrone an der Bar.

Den Trinkspass kann dieser pappige Liebestöter trotzdem nicht verderben – dafür ist der Wein viel zu gut. Ein Vitovska 2015 des legendären Edi Kante, frisch wie eine Zitrone im Schnee. Wäre der Himmel über der Adria klarer, könnte man den Blick von Venedigs vorgelagertem Strand vielleicht bis zum Golf von Triest schweifen lassen. Dort, auf einem hügeligen und karstigen Hochplateau der DOC Carso, wächst der Wein, den ich im Glas habe. Pardon – im Karton.

Friaul-Julisch-Venetien, kurz Friaul, heisst die Weinregion im Nordosten Italiens. Ganz im Osten des Friaul, auf einem wenige Kilometer schmalen Küstenstreifen zwischen der Adria und der Grenze zu Slowenien, liegt am Fuss der Alpen die grenzübergreifende Heimat der Vitovska-Traube. Fast wäre sie in Vergessenheit geraten und buchstäblich vom Erdboden verschwunden.

Renaissance im Funky Friaul

Doch die benachbarten Winzer Edi Kante und Benjamin Zidarich – inzwischen beides Legenden – verhalfen der heimischen Rarität in den 80er-Jahren zu einer Renaissance. Quasi im Gleichschritt mit dem Aufschwung der Weissweine aus dem Friaul, wo bis Mitte der 60er noch rote Rebsorten dominierten. Inzwischen haben internationale weisse Sorten wie Chardonnay oder Pinot Grigio die Macht und Massen an sich gerissen. Daneben verfügt das Friaul aber – vor allem im Osten – über spannende einheimische weisse Varietäten. Vitovska zum Beispiel, der bei Kante-Kumpel Zidarich auf der Maische vergoren zu sensationellem Orange Wine gekeltert wird. Hier duftet es dann auch eher nach Orangenzeste denn nach Zitrone.

Das raue Karst-Klima zwischen Alpen und Adria mit seinen starken Winden sowie den hohen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, begünstigt die Aromabildung. Das Resultat: frische und mineralische Weine, die genug Charakter haben, um auch einem Ausbau im Holzfass Stand zu halten. Bei Edi Kante ist der Holzeinsatz dezent: Sein Vitovska verbringt ein Jahr im gebrauchten Barrique und sechs Monaten im Stahltank. Die Aromatik reicht von Zitronenschale über knackiges Steinobst und helle Gewürze bis hin zu Physalis. Der Wein ist so frisch und langanhaltend, dass ihn nicht mal ein Pappbecher kaputtkriegt.

Wie eine Zitrone im Schnee: Im Glas schmeckt Edi Kantes Vitovska trotzdem besser.

Die gekürzte Version dieses Artikels wurde erstmals in der bz Basel publiziert.

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