
Pinot-Perfektionist: Thomas Jost während der Ernte 2015 im Riehener Schlipf.
Drei Jahre nachdem Thomas Jost den Gemeinderebberg im Riehener Schlipf übernommen hat, erhält das Weingut Jost & Ziereisen seine ersten Spitzen-Bewertungen im amerikanischen «Wine Advocate» des weltweit berüchtigten Weinkritikers Robert Parker (Ausgabe 228):
92 Punkte für den Le Grand 2013
91 Punkte für den Le Grand 2014
90 Punkte für den Le Petit Rouge 2014
90 bis 95 Punkte bedeutet auf Parkers 100er-Skala: «An outstanding wine of exceptional complexity and character. In short, these are terrific wines.»
Damit hat Thomas Jost drei Crus – alles Pinot Noir – unter den 90 bestbewerteten Schweizer Weinen. Alle wurden vom «Wine Advocate» mit 90 und mehr Punkten bewertet. Das Spitzenresultat von 96-97 Punkten erzielt die legendäre Walliser Winzerin Marie-Thérèse Chappaz mit ihrem Grain per Grain Petite Arvine 2014. Die Übersicht der bestbewerteten Schweizer gibt’s hier.
Mit Blick die Winzerlaufbahn von Thomas Jost (u.a. Weingut Vollenweider, Mosel / Weingut Markowitsch, Niederösterreich / Weingut Ziereisen, Baden), sind seine positiven Resultate keine Überraschung, sondern eine Bestätigung seines Könnens – und seiner Ambitionen.
«Im Burgund behaupten sie gerne, dass die Jurakalk-Böden bei ihnen beginnen und hier enden – ich sehe das umgekehrt», sagte Jost bereits 2014 mit einem Augenzwinkern. Kurz zuvor hatte der damals 26-Jährige – zusammen mit Hanspeter Ziereisen aus Efringen-Kirchen (D) – den 3,2 Hektar grossen Gemeinderebberg von Riehen übernommen. Ich war damals für die Basler Zeitung unterwegs. Als ich Jost im Herbst 2015 für meine VINUM-Dreiländereck-Reportage erneut im Schlipf besuchte, meinte er mit Blick auf die Schweizer Pinot-Hochburg: «Wir sind näher am Burgund als die Bündner Herrschaft, nicht nur geografisch.» Und zu seinem stolzen Einstandspreis von 69 Franken für den Le Grand: «Wir wollen an Gantenbein ran und uns mit ihm messen – dazu stehe ich.»
Dabei hat Jost seine selbstbewussten Worte stets mit Respekt für die Mitbewerber ausgesprochen – sie dienten nicht der Kritik, sondern der Manifestation der eigenen Ziele. Und diesen ist der junge Fricktaler schon nach drei Jahren wesentlich näher, als das manche erwartet hätten. «Als Saucenwein ist der Schlipfer noch ganz gut gebrauchbar», schnödete ein Kommentarschreiber nach dem BaZ-Artikel 2014. Ein anderer Online-Troll redete von «jugendlichem Übermut» und «Selbstüberschätzung».
Nun, (nicht nur) Parker sieht das anders. In seinem Ranking ist der Le Grand 2013 von Jost & Ziereisen sogar knapp vor den besten Gewächsen des Weinguts Gantenbein aus Fläsch platziert – mit dem drittbesten Deutschschweizer Resultat. Wobei es mit solchen Rankings ja immer so eine Sache ist… Aussagekräftiger als die detaillierte Reihenfolge ist viel eher die Zusammensetzung der Topweine. Dass Jost gleich mit drei Weinen vertreten ist, zeigt, dass seine Crus bereits jetzt zu den besten ihrer Gattung gehören.
Auf den Süsswasserkalk- und Lehmböden im Schlipf wächst also Vielversprechendes heran. Vor allem wenn man sich nun vor Augen hält, dass der Le Grand 2013, mit dem Jost bei Parker abräumt, sein allererster Schlipf-Jahrgang ist – aus einem Übergangsjahr, durch das er die Reben seines Vorgängers Köbi Kurz hat begleiten dürfen. Den besagten Le Grand habe ich 2015 für VINUM so beschrieben:
Le Grand Pinot Noir 2013 | 18 Punkte | 2016 bis 2025
Bouquet von intensiver Kirschfrucht, reifer Johannisbeere und Brombeergelee, dazu dezent Pfeffer, Tabak und Vanille. Im Gaumen vielschichtig, mit konzentrierter Frucht und einer frischen Würze. Trotz ausgeprägten Tanninen im langen Abgang wirkt dieser saftige Pinot Noir sehr sanft und elegant.
Charakter, Raffinesse und Tiefe erhält der Le Grand unter anderem durch kleinbeerige, lockere Trauben, tiefe Erträge und die manuelle Lese in mehreren Durchgängen. «Es macht einen Unterschied, ob du die 500 Gramm Ertrag in grossen oder in kleinen Beeren hast», erklärt Jost. Auch im Keller ist Handarbeit angesagt: Damit die entrappten Beeren möglichst unversehrt im 2000-Liter-Holzgärständer landen, werden sie mit einem Gabelstapler hochgehoben statt gepumpt. So kommt es auch innerhalb der Beeren zu einer (Mini-)Vergärung und die Weine werden aromatischer, frischer, fruchtiger und saftiger. Vergoren wird spontan. Die Maischestandzeit dauert bis zu 6 Wochen. Gepresst wird während bis zu sechs Stunden in einer alten Korbpresse – natürlich von Hand. Nach 18 Monaten in der Barrique wird der Wein ungeschönt und unfiltriert abgefüllt.

Dieses Jahr stösst ein zweiter «Grosser» zum Sortiment, ein weisser Le Grand: Im April oder August wird der erste Chardonnay in Flaschen abgefüllt – Jahrgang 2015. Burgund-Fan Jost hat die Sorte nach seiner Übernahme auf 13-jährige Merlot-Stämme aufgepfropft und im Folgejahr bereits den Ersten Chardonnay mit 99 Oechsle geerntet.
Es würde also nicht überraschen, wenn Thomas Jost beim nächsten Schweiz-Ranking des «Wine Advocate» auch mit einer weissen Burgundersorte vertreten wäre. Straight aus Basel-Stadt.
Anmerkung: Die Schweizer Weine für Robert Parkers «Wine Advocate» wurden von Stephan Reinhardt bewertet. Der deutsche Weinkritiker hat rund 200 ausgewählte helvetische Tropfen verkostet.
Ein Teil der bestbewerteten Schweizer Parker-Weine gibt es (zusammen mit vielen weiteren Weinen mit 90 und mehr Parker-Punkten) am 4. und 5. Februar im Zürcher Hotel Dolder Grand zu verkosten. Dies im Rahmen der internationalen Parker-Verkostungsreihe «A Matter of Taste – The Ultimate Wine Experience». Jost & Ziereisen werden nicht vertreten sein – ihre Weine gibt’s beim Basler Händler Paul Ullrich zu beziehen. Oder natürlich im Restaurant Mamma Mia Arlesheim.

Aussicht vom Riehener Schlipf in Richtung Basel.