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Monatsarchiv: April 2020

Teebeutel und Fruchtfliegen – Lektionen in Demut

26 Sonntag Apr 2020

Posted by Bonvinvant in Im Garten, Kolumne, Mein Weinexperiment

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Schlagwörter

Birstaler Muskat, DIY, Garten, Muskat

Ich bin aufs Schlimmste vorbereitet. Darauf, dass der Wein nach abgestandenem Blumenwasser stinkt. Oder nach nassem Hund. Auf bittere Aromen, die sogar eine Artischocke schockieren würden. Vor mir steht nicht irgendein Wein, sondern mein Wein! Birstaler Muskat 2019 aus dem eigenen Garten. In dieser surrealen Zeit der Isolation ist der Moment der Wahrheit gekommen: Tauge ich als Wein-Selbstversorger? Zögerlich ziehe ich der Flasche den Zapfen aus dem Rachen.

Aufatmen. Die Farbe ist ganz ok. Eine milchige Mischung aus Lachsorange und Bronze. So sieht es aus, wenn der Saft der weissen Trauben nach der Ernte nicht direkt abgepresst wird. Ich habe die Fruchtsauce aus Saft, Fleisch, Häuten und Kernen (aka die Maische) vier Tage lang ziehen lassen wie einen Teebeutel. Orange Wine! Die satte Farbe steht im gut. Aber der Härtetest folgt ja erst noch.

Doch – das ist ein Wein

Durchatmen. Im Glas zappeln bereits Fruchtfliegen. Ein gutes Zeichen? Die ersten Duftnoten machen Hoffnung: Orangenschale, Orangenblüten, Grüntee und eine feine Kräuterwürzigkeit – so riechen auch andere Weine dieser Machart! Es ist ein Wein! Jetzt nur nicht euphorisch werden. Mit der Zeit kommt nämlich ein säuerlich beissender Duft dazu. Nicht gut. Könnte Essigsäure sein. Fruchtfliegen mögen Essig. Gopf!

Jahrelang habe ich die Pergola mit Birstaler Muskat – eigentlich eher eine Tafeltraube –gehätschelt als wäre sie der wertvollste Rebberg der Welt. Habe sie hochgebunden und runtergeschnitten, vor hungrigen Wespen und stramm geschossenen Fussbällen geschützt. Habe Oechsle gemessen und Tagebuch geführt. Und jetzt das!

Neue Seuche oder gelungenes Experiment?

Ausatmen. Folgt die Ehrrettung im Mund? Nein. Mein Gaumen zieht sich zusammen als hätte ich in eine Orange gebissen – mit Schale. Sehr krautig, viele Gerbstoffe. Vielleicht war das keine so gute Idee mit dem Teebeuteln? Könnte aber auch sein, dass es nicht optimal war, dass ich damals auf Polterreise in Malle war als der Wein fertig war mit der Gärung. Dann wird er nämlich besonders anfällig für unerwünschte Effekte – Oxidation zum Beispiel. Oder Essigstich. Habe ich da etwa aus Versehen eine neue Seuche gezüchtet? Aus Fehlern lernt man. Und ich habe schon verdammt viel gelernt!

Ich schnappe nach Luft. Der Wein auch. Es tut ihm gut – er gibt sich nun etwas sanftmütiger und kann beinahe als trinkbar betitelt werden. Er ist mit Sicherheit mein bisher erfolgreichstes Experiment. Die Flasche ist jedenfalls fast leer (eine von insgesamt vier). So weit bin ich noch nie gekommen. Auch wenn die Sinne schon etwas getrübt sind, sehe ich eines glasklar: Das Weinmachen überlasse ich auch in Krisenzeiten lieber den Profis. Schliesslich gibt es so viele gute Winzer, deren Weine unsere Aufmerksamkeit verdienen. Auf sie mit Gebrüll!

BVNT Birstaler Muskat 2019 – Facts & Figures

  • Geerntet am 14. September 2019
  • 90° Oechsle im Schnitt
  • Ernte-Menge: rund fünf Kilo
  • Most-Menge: 3,2 Liter
  • 4 Tage auf der Maische
  • Abfülldatum: 13. Oktober 2019
  • Produktion: 4 Flaschen (2x mit SO2-Zusatz, 2x ohne)
  • Reben: zwei Pergola-Rebstöcke im siebten Jahr

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Aurèle Morf – sein Cabernet kommt aus dem Jura

20 Montag Apr 2020

Posted by Bonvinvant in Kolumne, Schweiz

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Schlagwörter

Bern, Birs, Birstal, Cabernet Jura, Cave Saint-Germain, Chardonnay, Jura, Moutier, Piwi, Sauvignon Blanc, Soyhières, Valentin Blattner

Aurèle Morf, Meister des Cabernet Jura.

Moutier war kein Weinbaudorf. Zumindest nicht bis 2008. Dann kam Aurèle Morf und hat hier – mit dem Übermut eines jungen Wilden – einen Rebberg angepflanzt. Schön erhöht gelegen am Rand des Städtchens neben einem Gefängnis und der Kirche Saint-Germain. Benannt hat er sein Weingut nicht nach dem Knast, sondern nach dem stattlichen Gotteshaus, das seinen Namen wiederum einem der Stadtväter verdankt.

Aurèle Morfs Cave Saint-Germain befindet sich in einem historischen Gewölbe ein paar Steinwürfe von der Kirche entfernt. Die Schatzkammer liegt hinter einem stattlichen Holztor mit kunstvollen Gravuren – ein Winzer und ein Skelett. Die angrenzende Mauer muss schon einiges erlebt haben, sie ist verwittert und von Moos überwuchert. Als jüngster Zeitzeuge prangt ein Slogan an der Wand: «Moutier, ville jurassienne!», daneben das Jura-Wappen. Das scheint nicht allen zu passen – beides wurde wieder durchgestrichen. Dope sprayen können beide Seiten nicht.

Kirche, Knast und Rebberg – die heilige Dreifaltigkeit dieses Weinbergs.

Man ist sich immer noch nicht einig, ob das Städtchen südlich von Delémont lieber – wie aktuell – zu Bern oder eben doch zum Kanton Jura gehören soll. Auf der anderen Strassenseite, hinter einer ebenso verwitterten Mauer, wird mit lauter Musik gefeiert – surreale Szenen währen des Corona-Lockdowns. Ob die wissen, dass der Nachbar den geilen Stoff im Keller hat?

Landwein vom Feinsten

Betreten wir Aurèle Morfs Reich. Den kühlen Keller. Hier hat er 2005 seine ersten Weine gekeltert. Da wuchsen in Moutier noch gar keine Trauben. Diese besorgte sich der junge Wanderarbeiter im Wallis oder im Tessin. Einige dieser Weine hat Morf heute noch im Sortiment. Etwa den «Funambulesque 2016», eine Assemblage aus Chardonnay und Sauvignon Blanc mit krass aromatischem Bouquet – reifes gelbes Steinobst, flankiert von süsslicher Würze – und mineralisch-frischem Kontrastprogramm im Gaumen. Die Trauben wachsen im Wallis, was auf dem Etikett aber verheimlicht wird. «Vin de Pays Suisse», steht da – das ist weinrechtlich die Kategorie, in der experimentierfreudige Winzer die grössten Freiheiten haben.

Cabernet Jura: Ziemlich Pilzresistent, aber gegen Hagel und Wild braucht’s trotzdem ein Netz.

Künftig möchte sich Morf auf seinen kleinen Hausberg in Moutier fokussieren. Schweizer Jura – diese Hood haben nur eine Handvoll Winzer vorzuweisen. Ausserdem kultiviert Morf hier mit Cabernet Jura eine Rebsorte, die noch ziemlich neu und unbekannt ist. Und die hier im Jura gezüchtet wurde: in Soyhières, wenige Kilometer birsabwärts zwischen Delémont und Basel.

Cabernet Jura, der Boy aus der Hood

Cabernet Jura ist eine Nordwestschweizer Rarität aus dem Birstal, gezüchtet von Valentin Blattner, der Anfang 90er-Jahre seine Rebenzucht von Reinach in den Jura verlegte. In ein Tal, das eigentlich viel zu feucht ist für Weinbau – aber perfekt für Blattner, der auf die Zucht sogenannter PiWi-Rebensorten spezialisiert ist. Das sind pilzwiderstandsfähige Kreuzungen europäischer Vitis Vinifera-Sorten mit resistenten Arten aus Amerika oder Asien. Beim Cabernet Jura hat Cabernet Sauvignon als Vater mitgepimpert. Der Vorteil von PiWi-Neuzüchtungen: dank ihrer Resistenz müssen sie viel weniger gespritzt werden. Sie sind ökologischer. Ihr Nachteil: die Weine können geschmacklich etwas ungewohnt daherkommen. Beim Cabernet Jura macht sich das, wie ich finde, je nach Machart durch eine ausgeprägte Kräutrigkeit bemerkbar.

Junger Veteran einer noch jüngeren Rebsorte

Diese ist auch bei Aurel Morfs «Enclos des deux Saints 2017» zu finden und erinnert an Lorbeerblätter oder grüne Peperoni. Daneben sorgen kräftige Fruchtnoten – etwa schwarze Johannis- oder Holunderbeeren – sowie eine süssliche Würze für Balance.

Links der «Clos des Deux Saints» – rechts der fantastische Funambulesque 2016.

Wohin der Weg bei Aurèle Morfs Cabernet Jura gehen könnte, zeigen die Fassproben: Aus seinen 0,6 Hektar in Moutier hat er 2019 drei verschiedene Weine gekeltert: Schaumwein und Rosé, beide frischfruchtig und mit unverschämtem Trinkfluss, sowie einen dichten Rotwein mit Lagerpotenzial.

Man merkt: Morf hat den Dreh raus beim Umgang mit dieser so jungen Rebsorte. Kein Wunder. Seine ersten Erfahrungen hat er 2002 bei Valentin Blattner gesammelt.

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

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