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Monatsarchiv: Februar 2019

Bitte spitte! Wer Wein liebt, spuckt ihn aus

26 Dienstag Feb 2019

Posted by Bonvinvant in Kolumne

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Schlagwörter

Bitte spitte, Degu, Degustation, Lektionen, Spitten, Spucken, Spucknapf, Verkostung

Flaschen leer: Wer verkostet leert den Wein mit Vorzug nicht in sich selber rein – sondern in den Spucknapf.

Die Aussage knallt rein, als ob man mir den Wein direkt ins Gesicht spucken würde. «Herr Gernet», stellt mein Gegenüber trocken fest, «wenn Sie Weinjournalist werden wollen, müssen Sie lernen, den Wein auszuspucken.» Peng! Mein Ego und mein glasiger Blick rasen in Richtung Kellerboden.

Das war 2012. Im Barrique-Keller eines altehrwürdigen Weinguts im Burgund. Aristokratischer geht’s kaum. Das Château war im Besitz eines Basler Quereinsteigers. Und diesem ist nicht entgangen, dass mir seine Weine sehr gut munden. Zu gut. Zumindest, wenn man sich, ohne zu spucken, durch das ganze Sortiment verkosten möchte. Typischer Anfängerfehler! Schliesslich weiss jeder, dass Alkohol die Sinne vernebelt.

Die Gangbangs der Weinwelt

So hat mir ein Basler im Burgund die Augen – und den Spucknapf – geöffnet. Seither bin ich passionierter Spitter. Je mehr man beim Verkosten lernen möchte, desto mehr muss man probieren. Mehr Wein heisst aber oft auch: mehr Mist. Vor allem, wenn man dank geschärfter Sinne kritischer geworden ist. Mein Bandkollege behauptet gerne, dass er lieber nicht zu viel über Wein wissen will. Weil ihm sonst fast keiner mehr schmeckt! Dafür ist es bei mir zu spät.

Also wähle ich die Flucht nach vorne und turne mich von Tasting zu Tasting. Verkostungen sind die Gangbangs der Weinwelt. In der Regel sind grosse Degustationen purer Stress: Die Auswahl ist so erdrückend wie der Andrang bei den interessanten Weinen. Überall Ellbogen, nirgends ein Spucknapf. So wird der Spiessrutenlauf zum Triathlon: Reinstechen in die Meute, Stoff holen an der Tränke, Sprint zum nächsten Napf. Währenddessen sollte man sich noch Gedanken zum Wein machen. Und Notizen – wenn nur nicht schon die Hände besetzt wären mit Glas und Broschüren.

Viele Verkostungen sind Mittel zum Zweck. Wie Speed-Datings: Rein, raus – und die schönste Trouvaille nimmt man mit nach Hause. Dort kann man den Wein in Ruhe verkosten. Vielleicht sogar ohne zu spucken. So wie man während einer Verkostung manchmal, aber nur manchmal, einen besonders guten Cru heimlich doch die Kehle runtersickern lässt.

Spucken oder untergehen

Um zu den Perlen im Wein-Ozean durchzudringen, muss man sich durchtrinken. Damit man nicht jedes Mal wieder bei Null lossegelt, hilft ein klarer Kopf, in dem die angetrunkenen und ausgespuckten Verkostungs-Erfahrungen abgespeichert sind. Sonst erleidet man Schiffbruch. So wie die angehende Wirtin, mit der ich mich einst durch eine Weinmesse verkostet habe. Sie fand es unweiblich, zu spucken. Und nach einer halben Stunde fand sie, dass alle Weine gleich schmecken. Tja.

Zum Glück war der Basler Kollege aus dem Burgund nicht dabei. In dessen Gewölbe hätte man den edlen Cru besonders lustvoll auf den Kiesboden spitten können. Ohne zu zielen. Das ideale Terroir für Anfänger. Ich habe schon Profis gesehen, die den Spucknapf aus gefühlten zwei Metern Entfernung zielgenau treffen. Soweit bin ich leider noch nicht. Ich bin aber zuversichtlich, dass es noch ein, zwei Gelegenheiten geben wird, um meine Spuck-Skills zu schärfen.

Erstmals erschienen ist dieser Text am 9. Februar 2019 in der «Schweiz am Wochenende» (bz Basel). Die Kolumne erscheint alle zwei Wochen.

Bitte schütteln: Die ersten Schweizer 2018er sind da!

01 Freitag Feb 2019

Posted by Bonvinvant in Kolumne, Schweiz

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Schlagwörter

Aran, Aran-Villette, Chasselas, Cortaillod, Domaine des Cèdres, Domaine Mermetus, Genfersee, Gutedel, Lac Leman, Lavaux, Martin Porret, Neuchâtel, Non Filtré, Sans filtre, Vincent Chollet, Vins Porret, Waadt

Das Depot durcheinander bringen: Winzer Martin Porret zeigt, wie man seinen Non Filtré vor dem Öffnen behandelt.

Trübe Aussichten können so schön sein! Traditionell am dritten Mittwoch im Januar haben kürzlich über 30 Winzer im Neuenburger Rathaus ihre frisch abgefüllte Spezialität lanciert – den Neuchâtel Non Filtré 2018. Ein trüber Kerl mit milchiger Farbe und sichtbaren Rückständen am Flaschenboden. Bei diesem Wein muss das so sein. Deshalb sollte die Flasche vor dem Genuss auch sanft umgedreht und geschaukelt werden. Wers härter mag, kann sie auch schütteln.

Was ist das für Zeug, das im Weisswein rumschwimmt? Es sind abgestorbene Hefen. Zu Lebzeiten haben sie den Fruchtzucker zu Alkohol vergoren. Jetzt sorgen sie für ein cremiges Mundgefühl und eine vielseitige Aromatik. Beim Non Filtré des jungen Winzers Martin Porret – er führt die Domaine des Cèdres in Cortaillod in sechster Generation – sind das zum Beispiel Noten von Brioche (typisch Hefe), Birne oder exotischen Früchten.

Der Wein gibt sich quietschfidel und äusserst vielseitig (siehe Verkostungsnotiz weiter unten). Nicht schlecht für einen Chasselas! Die wichtigste Schweizer Rebsorte ergibt oft eher neutrale Weine. Nicht so bei Porrets Non Filtré 2018, der im grossen, 90-jährigen Holzfass «Foudre N°1» ausgebaut wurde.

Santé: Martin Porret (r.) und der Autor verkosten den «ersten Wein» des Jahrgangs 2018.

Die Non Filtré-Weine aus Neuchâtel sind vor allem aus zwei Gründen bekannt: Erstens gelten sie als erste trinkfertigen Vorboten jedes neuen Schweizer Jahrgangs. Zweitens werden die Weine, der Name sagt’s, ungefiltert abgefüllt. Eine Methode, die heute wieder chic ist. Vor allem bei Winzern, die ihren Wein so naturbelassen wie möglich abfüllen. «Bei manchen Crus sollte man nach dem Filtrieren lieber den Filter trinken als den Wein», hat mir der französische Biodynamie-Pionier Nicolas Joly einmal schmunzelnd verraten.

Bei manchen Crus sollte man nach dem Filtrieren lieber den Filter trinken als den Wein.“

Nicolas Joly (Coulée de Serrant)

Erfunden wurde der Neuchâtel Non Filtré aus Versehen, Kommissar Zufall ist nämlich auch ein guter Winzer: Nach einem trockenen Jahr mit magerer Ernte sassen 1975 auch die Weintrinker auf dem Trockenen. Um den Engpass zu überbrücken, füllte Winzer Henri Alexandre Godet seinen noch nicht filtrierten Chasselas-Jungwein in die Flasche – und landete einen Volltreffer. Es war die Geburt jener Spezialität, die die Neuenburger Winzer nun als «ersten Schweizer Wein des Jahres» zelebrieren.

Das Frühchen vom Genfersee

Der erste Wein? Nein! In einer von weltbekannten Winzern bevölkerten Region am Genfersee lebt ein Meister, der seinen Wein sogar schon Ende November abfüllt. Wenige Wochen nach der Ernte. Natürlich ungefiltert. Es ist Vincent Chollet (Domaine Mermetus) aus den als UNESCO-Welterbe geadelten Rebbergen des Lavaux (VD) mit seinem Blanc sans filtre 2018. Ebenfalls ein naturtrüber Chasselas, der vor dem Ausschenken gerne geschüttelt werden darf.

Er lanciert seinen «Sans Filtre» noch vor den Kollegen aus Neuenburg: Vincent Chollet von der Domaine Mermetus im malerischen Lavaux (VD).

Anders als in Neuchâtel wird hier kein «fertiger» Cru abgefüllt: «Der Wein soll wie eine Fassprobe schmecken», erklärt Chollet. Es ist sozusagen die Erweiterung des Jungwein-Verkostung unter Winzerkollegen. Die Fassprobe duftet zunächst nach Cidre oder Apfelsaft – wegen der Apfelsäure, einem wichtigen Bestandteil im Traubenmost, die noch nicht zur milderen Milchsäure transformiert wurde. Der Sans Filtre ist ein frischer Wein mit leichter Kohlensäure und Zitrusaromen. Vincent Chollet bezeichnet seinen Sans Filtre gerne auch als «Beau Chollet Nouveau» in Anlehnung an die legendären «Beaujolais Nouveau»-Frühchen aus Frankreich.

Ob knackig wie der Sans Filtre vom Genfersee oder cremig wie der Non Filtré aus Neuchâtel – etwas haben die frühreifen Romands gemeinsam: Sie sind für weniger als 15 Franken zu haben. Gemessen an deren hohen Spassfaktor ist dieser faire Preis – ungefiltert gesagt – fast schon eine Frechheit.

Erstmals erschienen ist dieser Text am 26. Januar 2019 in der «Schweiz am Wochenende» (bz Basel). Die Kolumne erscheint alle zwei Wochen.

Verkostungsnotizen

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