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Hanspeter Ziereisen, Jost & Ziereisen, Riehen, Schlipf, Silas Weiss, Thomas Jost, Ullrich, Weingut Riehen, Ziereisen

Noch sind sie nackt, die Flaschen, die im Weingut Riehen auf dem Kellerboden stehen. Aufgereiht wie Mini-Soldaten. «Wir sind bisher nicht zum Etikettieren gekommen.» Silas Weiss nimmt es gelassen. Denn das Wichtigste ist: Die Trauben sind schon lange im Trockenen. Sie schlummern im Fass und erinnern gelegentlich mit einem blubbernden Geräusch daran, dass hier Wein entsteht – als würden sie durch den Gärfilter rülpsen. Draussen, auf den 3,5 Hektar umfassenden Rebbergen im Schlipf oberhalb des Riehener Naturbads, recken die Trauben ihre jungen Triebe dem Himmel entgegen.
Im vergangenen Herbst war es auf dem Weingut hektischer. Nicht nur wegen der stets sehr lebhaften Erntezeit, sondern auch wegen des überraschenden Weggangs von Thomas Jost. Der junge Winzer hatte das Weingut Riehen Anfang 2014 als 26-Jähriger übernommen und es zusammen mit Hanspeter Ziereisen innerhalb weniger Jahre in die Topliga der Schweizer Weinproduzenten katapultiert. Im Mai 2018 entschied sich Jost, das Weingut, zu dessen Erfolg er massgeblich beigetragen hatte, zwecks Neuorientierung zu verlassen.

Bis Silas Weiss ins Spiel kommt, vergehen noch einige Monate. Während der Ernte konnte sich der 23-Jährige kurz als Helfer warmlaufen – eingewechselt als neuer Betriebsleiter wurde er aber erst Anfang 2019. Davor hat Hanspeter Ziereisen – einer der bekanntesten Winzer Deutschlands – mit seinem Team für die Reben und die Verarbeitung der Ernte gesorgt.
Notabene während sich der Markgräfler gleichzeitig um sein eigenes, wesentlich grösseres Weingut im nahen Efringen-Kirchen (D) kümmert. Kein Wunder, blieben da alle nicht so drängenden Arbeiten liegen. Zum Beispiel das Anbringen von Etiketten. Auf diesen wird nun «Weingut Riehen» stehen – anstatt wie bisher «Jost & Ziereisen».

«Während der Ernte hat Hanspeter bis um vier Uhr nachts Trauben verarbeitet», erinnert sich Weiss an seine ersten Tage auf dem Weingut. Zu diesem Zeitpunkt war er noch in der Weinhandlung von Jacqueline und Urs Ullrich tätig. Die beiden sind im Sommer 2018 neben Ziereisen als Co-Investoren beim Weingut Riehen eingestiegen. So wurde aus einem der grössten Schweizer Weinhändler plötzlich auch ein Weinproduzent. Und Silas Weiss konnte nach zwei Jahren im Verkauf wieder in seinen erlernten und ersehnten Beruf als Winzer zurückkehren.
«Ich hatte auch andere Möglichkeiten», sagt Weiss, «aber ich wollte in Basel bleiben – hier habe ich viele Freunde.» So wurde er zu einem der ganz wenigen Winzer auf stadtbasler Boden. Aufgewachsen am Neuenburgersee, absolvierte Weiss seine Winzerausbildung in der Westschweiz und auf dem Zürcher Höngg. Danach folgte ein halbes Jahr auf einem Weingut im kalifornischen Napa Valley.

Und nun pendelt Silas Weiss zwischen Riehen und Efringen-Kirchen. «Bei Ziereisens fühlt es sich an wie in einer grossen Familie», findet der 23-Jährige. Er ist dankbar um sein grenzüberschreitendes Engagement – das kleine Weingut in Riehen und der Familienbetrieb im Markgräflerland ergänzen sich gut. Ausserdem gibt es beim erfahrenen Ziereisen viel zu lernen. «Ich ticke ähnlich wie Hanspeter – wir packen gerne an, anstatt lange zu lamentieren», sagt der junge Winzer. Und da bei der Weinwerdung im Keller nur so wenig wie möglich eingegriffen wird, bleibt mehr Zeit für die Arbeit in der Natur.
Teil der Philosophie
Bis Silas Weiss die Früchte seiner Arbeit kredenzen kann, dauert es allerdings noch etwas – die Crus des Weinguts Riehen kommen jeweils nach rund zwei Jahren in den Verkauf. So haben die Weine genug Zeit, um sich zu entwickeln und zu harmonisieren. Auch das ist Teil der Philosophie. Aktuell kümmert sich Weiss sozusagen um seine Stiefkinder. Er ist glücklich mit ihnen – das merkt man beim gemeinsamen Verkosten.
Als nächstes kommt der Jahrgang 2016 in Umlauf. Ein erstes Mal probiert werden können die Gewächse morgen Donnerstag und am Freitag an den Schweizer Weintagen in der Markthalle Basel. Vielleicht wurden die Flaschen bis dahin ja mit ihren Etiketten eingekleidet.

Dieser Artikel wurde erstmals in der bz Basel publiziert.