Pow, pow, Podcast – straight outta Markgräflerland! Zu Besuch bei Max Geitlinger im Hirschen Egerten. Wir reden u.a. über die Landwein-Revolution, Sauvignon Blanc als trojanisches Pferd und Corona-Schnapsideen.
Max führt das Gasthaus zum Hirschen in Egerten – «einem klitzekleinen Ort am Arsch der Welt, zum Glück» – seit einer Dekade und in 9. Generation. Seit 2010 betreibt er sein Landweingut Max Geitlinger. Zunächst wurde der Wein nur für den Eigengebrauch gekeltert. Inzwischen sind seine Weine – zum Glück – auch sonst erhältlich.
Die Weine aus dem Podcast: – Pinot Noir Sekt 2017 – Sauvignon Blanc 2018 – Maximal Spätburgunder 2017
Frei wie der Wein: Der 2018er-Riesling markiert Lambert Spielmanns zweiten Jahrgang.
Die polternden Fäuste der singenden Winzer bringen die
Weinflaschen auf dem Tisch zum tanzen. Dahinter hängt eine Piratenfahne an der
Wand. Auf den Etiketten der tanzenden Traubensäfte steht «Libre Comme Le Vin»,
«Socialitre» oder «Mafia Vin Free». Es ist spät. Es ist laut. Es wird gelacht.
Hier, am Stand dieser jungen, wilden Elsässer Winzer, lässt
sie sich gut ausklingen, die «Brut(es)» – eine Weinmesse in Mulhouse, die sich
ganz den «vins naturels» verschrieben hat. Die lebendigste Ecke wird von
den jungen Elsässern besetzt, das ist nicht zu überhören. Raisins Sociaux heisst
das Weinkollektiv. Daneben Lambert Spielmann. Auf seiner Visitenkarte steht
Partisan Vigneron.
Ein cooles Bild geben sie ab mit ihren Irokesenschnitten, Motörhead-Pullis
und den stylischen Weinetiketten. Aber was heisst das schon? Winzer nach
Sympathiepunkten abzugrasen ist so oberflächlich, wie Weine nach dem Etikett
einzukaufen. Also Obacht!
Erster Schluck. Erleichterung. Die können was! Der Rosé der
Raisins Sociaux bietet unkomplizierten Trinkspass. Manche Crus sind noch etwas
ungehobelt und rustikal – wie ihre Macher, könnte man jetzt floskeln – aber
sie gehen runter wie nix. Die Piratenstory hinter einigen Weinen lässt
aufhorchen: gekeltert aus Trauben, die man sich von verlassenen Rebbergen
besorgt hat.
Partisan Vigneron: Lambert Spielmanns Weingut heisst «Domaine in Black» – wer ist wohl Lambert auf diesem Bild?
Das Revier der Freibeuter liegt bei Rouffach zwischen
Mulhouse und Colmar. Lambert Spielmann, ihr partner in crime nebenan, keltert
seine Crus in Saint-Pierre etwas weiter nördlich. Sein Riesling «Libre Comme Le
Vin 2018» offenbart Noten von gelbem Steinobst, frisch angeschnittenem Apfel,
Zitronengras und hellen Gewürzen. Ein Weisser mit kühl-kargem Charme und
vibrierender Säure – vor allem in Anbetracht des heissen Jahrgangs. Im
Abgang mit einer schönen Salzigkeit, die der Winzer dem Alter der 70- bis 80-jährigen
Rebstöcke zuschreibt.
Die Reben hat Spielmann gepachtet. Anders als viele andere Elsässer Winzer entstammt er nicht einer Weinbaudynastie. Sein Riesling markiert erst die zweite eigene Ernte. Einen Weingutnamen sucht man auf dem 2018er-Etikett vergebens. Inzwischen hat der 31-Jährige einen kleinen Einmannbetrieb gegründet, die Domaine in Black. In Anlehnung an seine Lieblingsfarbe, seinem Hund Blacky und den dunklen Kleidungsstil, den der «Partisan Vigneron» gerne pflegt als Bassist der Punkband «La Consigne». Das macht den Wein natürlich nicht noch besser. Die Story aber schon.
Gib mir die Ghettofist: Links das Duo von Raisins Sociaux, dahinter der Partisan – sozusagen in Deckung.
Unkompliziert mit Würze und Pfiff: Der Moulin aux Moines Pinot Noir XVII.
Basel ist eine Weinbastion. Wir leben im Herzen einer grossen Weinregion, in der einige der besten Crus überhaupt wachsen. Die Ansage ist prollmundig wie ein Primitivo – aber ich stehe dazu. Wer die Schweizer Brille in die Ecke donnert und die Flughöhe nach oben schraubt merkt: Basel liegt zwar am Rand der Schweiz und hat mengenmässig nix zu melden in der Weinwelt – vom internationalen Weinhimmel aus betrachtet liegt das Rheinknie aber im Zentrum dreier Regionen, deren Topgewächse es mit fast jedem Spitzenwein dieser Welt aufnehmen können.
It’s the Dreiländereck! Wer nach Norden guckt, sieht links das Elsass mit den Vogesen und rechts die Reben des Weiler Schlipf, südlichste Lage in Baden. In beiden Regionen (Elsass und Baden) wachsen je etwa gleich viel Hektar Reben wie in der ganzen Schweiz. Bei diesem grenzenlosen Weitblick könnte man auch gleich die ganze Schweiz ins Dreiland-Panorama integrieren. Ich schweife ab – zu viel Aufwind, zu grosse Flughöhe.
Von Huningue direkt ins Burgund
Nix wie runter auf den Boden der Tatsachen. Wir landen am westlichen Ende der Dreiländerbrücke, gegenüber des Weiler Rheincenters und des Basler Rheinhafens. Willkommen in Huningue. Genauer: Im «La Huninguoise», einer Weinbar mit einer wunderbaren Karte voller französischer Kreszenzen. Hier kann jeder seine eigene Tour de France zelebrieren. On y va! Ich sprinte direkt ins Burgund zu den Weinen von Clos du Moulin aux Moines – die Burgunder Winzerin ist persönlich vor Ort.
Ihre weissen Crus aus Chardonnay bringen die gewünschte Frische an diesem heissen Sommerabend. Trotzdem wechselt die Weinampel auf rot. Ob das gut kommt bei dieser Hitze? Und wie! Der Wein bringt nämlich nur zarte 12 Volumenprozent auf die Waage und trumpft mit frischfröhlichen roten Fruchtaromen auf, dazu auch etwas Menthol und Zedernholz.
Ein Querschläger ohne zugesetzten Schwefel
Krass! Schliesslich haben wir es hier mit dem Einstiegswein, der Basis, zu tun: dem Pinot Noir XVII. Ausgebaut im Stahltank und ohne Zusatz von Schwefel. Beides ist einigermassen ungewöhnlich für einen Burgunder. Vermutlich deklarieren die Macher den Wein auch deshalb als Vin de France, das ist die ‹einfachste’ Klassifizierung in Frankreich – dabei wachsen die Rebstöcke dieses Vin Naturel an der legendären Côte de Beaune.
Der Wein ist ein Querschläger. Manche Rote, denen kein Schwefel (Sulfit) zugesetzt wurde, präsentieren sich zunächst rustikal und von dezenter Frucht. Der hier nicht! Ein unkompliziertes Kerlchen mit Würze und Pfiff, das auch leicht gekühlt weggezischt werden kann. Kostet zum Mitnehmen 16 Euro – das «Huninguoise» ist nämlich auch ein Take Away.
Ab in den Rucksack mit der Pulle und zurück über die Brück’ via Weil ans Kleinbasler Rheinufer. Am Klybeckquai gibt’s noch die letzten Sonnenstrahlen zu erwischen. Dazu die letzten Tropfen dieses roten Sommerweins, der wunderbaren Trophäe dieser kompakten Dreiland-Spritztour. Praktisch, im Herzen dieser drei Regionen zu leben.
Wein kann so simpel sein. So klar, so trinkig, so gut. So wie der Spätburgunder 2014 der Shelter Winery aus Baden (D). Shelter steht nicht nur für «Unterkunft», sondern auch für «Schutz» – in Anlehnung an den grasbewachsenen Bunker auf dem ehemaligen kanadischen Luftwaffen-Stützpunkt in Lahr, wo Hans-Bert Espe und Silke Wolf ihre Weine zwischenzeitlich gekeltert und gelagert haben.
Dieser Spätburgunder ist ein fröhliches, unkompliziertes Kerlchen mit klarer, roter Frucht (Sauerkirsche, frische Erdbeeren), einer feinen Würze, die an frisch ausgespuckte Kirschkerne erinnert, und Anklängen von Minze. Der ätherische Unterton hält im Gaumen an und verflüchtigt sich erst mit dem Abgang, eskortiert von sanften, weichen Tanninen. Schmelzig statt pelzig ist hier angesagt. Saft und Trinkfluss. Und ein Auftakt, so rund wie der Babybauch von Beyoncé.
Starallüren sucht man beim Spätburgunder vergebens. Wir befinden uns auf der Qualitätsstufe Gutswein, also an der Basis des Sortiments, in der untersten Schublade. Das sagt zumindest die Weingesetzgebung. Auf diese pfeift Boyoncé jedoch – und schwingt weit obenaus. Bei einem Flaschenpreis von etwas über 13 Franken kann man sich nicht beklagen. Hier lohnt sich das Bunkern.
Die Trauben der Shelter Winery wachsen in Kenzingen und Malterdingen nördlich des Kaiserstuhls, kulturviert in Lyra-Erziehung – das ist diese doppelte Laubwand, die von der Seite betrachtet aussieht wie zwei zur V-Form gespreizte Finger. Victory!
Die Ernte landet von Hand in kleinen Kisten und kommt rasch zur Verarbeitung in den Keller. Dort gibt man dem Wein dann alle Zeit, die er braucht. Die Maischegärung erfolgt in klassischen Holzbottichen, die Reifung im Barrique. Kein Pumpen, keine Filtration. Ein wohlbehüteter Tropfen aus dem Schutzbunker. Ein Ort, an dem ich gerne Zuflucht suche – ich meine den Wein, nicht den Bunker.