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Vorreiter und Kultwinzer: Hanspeter Ziereisen hat die Badische Weinwelt mit seinen Landweinen wachgerüttelt.

Am 26. April 2019 trifft sich am Badischen Landweinmarkt im Markgräfler Weinbaudorf Müllheim zum dritten Mal eine Gruppe widerspenstiger Winzer zum Showdown. Es wird ein Schaulaufen der Outlaws, denen das Weingesetz weniger wichtig ist als ein eigenständiger Wein. Das Weingesetz bestimmt in Deutschland, ob ein Cru als Qualitätswein klassifiziert wird oder nicht. Das Urteil sprechen die Sheriffs der staatlichen Prüfstelle – und zwar, das ist der springende Punkt, nach einer sensorischen Prüfung.

So kam und kommt es vor, dass Weine, an denen es analytisch nichts auszusetzen gibt, an der sogenannten Sinnenprüfung als «nicht verkehrsfähig» eingestuft werden. Immer wieder. Bei immer mehr Weinen. Die abgekanzelten, zunehmend rebellisch werdenden Winzer erklären sich das Verdikt ungefähr so: Das veraltete Weingesetz von 1971 dient dazu, das Geschmacksprofil der stets gleich schmeckenden Massenweine von damals zu reproduzieren. Stagnation durch angebliche Qualitätssicherung. Die konservative Haltung kastriert die Weine.

Die Umkehrung der Qualitätspyramide

Früher konnte ein Nein der Sheriffs existenzielle Folgen haben. Heute ist das halb so wild. Denn wilde Winzer haben den Spiess umgedreht und aus der Not eine Tugend gemacht – indem sie ihre Weine freiwillig als Landwein deklarieren und feiern. Das ist die zweitunterste Stufe im deutschen Weingesetz. Dort unten loten die Landweinwinzer ihre Freiheiten aus und keltern Weine, die zu den Interessantesten ihrer Region gehören. Und die immer öfter über die Landesgrenzen hinaus gefragt sind.

Müsste man dafür einen Hauptschuldigen suchen, würde auf dem «Wanted»-Plakat das grinsende Gesicht von Hanspeter Ziereisen abgebildet werden. Das ist jener Winzer aus Efringen-Kirchen, der auch beim Weingut Riehen seine Finger im Spiel hat. Der Mann ist eine Legende. Seine Weine sind Kult. Die Landweinwelle, die er in Baden losgetreten hat, wird von immer mehr Winzern gesurft.

Steckt den Kopf ins Fass, aber nicht in den Sand: Hanspeter Ziereisen in seinem historischen Gewölbekeller in Efringen-Kirchen. Hier entstehen einige der interessanten und besten Weine Deutschlands.

Diese Umkehrung der Qualitätspyramide durch die freiwillige Selbstdeklassierung von Spitzenwinzern, ist in vielen Regionen zu beobachten. In Baden, wo es gleich viel Rebfläche gibt wie in der ganzen Schweiz, manifestiert sich dieser sanfte Aufstand der Outlaws am Badischen Landweinmarkt.

Als Schirmherrin des von Ziereisen initiierten Salons reist Jancis Robinson ins Markgräflerland. Der Besuch der weltweit wohl mächtigsten Weinjournalistin setzt ein fettes Ausrufezeichen hinter den früheren Schmähbegriff Landwein. Insgesamt präsentieren am 26. April rund 20 Winzer ihre Weine im Landhotel Alte Post.

Der Showdown findet am selben Tag statt wie der Müllheimer Weinmarkt, der älteste seiner Art in Deutschland. Bei dessen Premiere 1872 gab es kein Weingesetz. Allein der Geschmack der Besucher entschied über die Qualität der präsentierten Weine – so wie das heute bei den Landweinen der Fall ist.

Den Beitrag mit Wein-Tipps zum Badischen Landweinmarkt 2018 gibt’s hier nachzulesen: 12 Landweins With Attitude.

From Zero to Hero: Die Landweine des Weinguts Wasenhaus aus Staufen begeistern mit burgundischer Eleganz und Finesse. Das jungen Winzerduo Christoph Wolber und Alexander Götze hat 2016 seinen ersten Jahrgang gekeltert. Seither geht es so steil bergauf wie in ihren Rebbergen.
Supplement zum Schluss: Ziereisen, der Denker. Dahinter ein abgefackelter Mähdrescher. Daneben ein Kreuz. Dieses Foto ist einfach zu geil, um nicht gezeigt zu werden. Entstanden 2016 bei meiner VINUM-Reportage zum Dreiländereck.

Dieser Artikel wurde erstmals in der bz Basel publiziert.