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Amontillado ist ein Mix aus Fino und Oloroso: Dazu gibt’s Erdnussbutterbrot mit Essiggurken.

Es muss nicht immer eine ganze Pulle sein. Manchmal reicht es, zweimal am Glas zu nippen für einen Augenblick der Glückseligkeit. Aber ist die Flasche erstmal offen, beginnt das Dilemma: der Wein muss vernichtet werden bevor die Luft ihn killt und er oxidiert.

Klar. Es gibt das vielgelobte Coravin-System, mit dem Wein-Junkies ihre Ration durch eine feine Nadel aus der Flasche ziehen können. Dabei bleibt Korken unversehrt und der zurückbleibende Flaschengeist kann ohne Qualitätseinbusse weiter in der Pulle schlummern können bis Aladdin wieder an der Lampe rubbelt.

Wein-Domino ohne Jahrgang

Man kann sich’s auch einfach machen: Mit einem unfickbaren Wein, dem Luft fast nix mehr anhaben kann, weil er sie schon in der Kinderstube tüchtig inhaliert hat. Über Jahre. Mit Absicht. Sherry! Straight von der andalusischen Atlantikküste. Er wird über Jahre, zum Teil Jahrzehnte, in zu zwei Dritteln gefüllten 600-Liter-Fässern ausgebaut – in einem Solera-System.

Dieses besteht aus einer Batterie an Fässern mit unterschiedlichem Alter. Dabei wird jeweils ein Drittel des jüngeren Jahrgangs in ein Fass mit älterem Sherry umgefüllt. Ein Wein-Domino mit bis zu über einem Dutzend Generationen-Bausteinen. Deshalb hat Sherry meist keinen Jahrgang. Man müsste eher das Jahrzehnt auf die Etikette schreiben.

Während die filigranen Fino-Sherrys unter einer Schicht Florhefe reifen, die den Luftkontakt drosseln und für typische Gebäcknoten im Wein sorgen, werden die üppigeren Oloroso-Sherrys oxidativ ausgebaut. Ohne Flor, dafür mit der vollen Ladung Luft. Ein Amontillado ist ein Mix beider Spielarten. Das Beste beider Welten. Und ein solcher hat mir die Augen geöffnet und den Mund gestopft.

Vergiss das Klischee!

Lange habe ich gedacht, Sherry sei altbackenes Zeug. Ein doofes Klischee! Deshalb geschieht es mir recht, dass mir dieser Amontillado beim ersten Kontakt die Fresse poliert hat. Nicht nur, weil er auch etwas nach Möbelpolitur geduftet hat. Sondern weil mich diese erdig-nussige Aromatik, vor allem aber diese intensive atlantische Meeresluft – daran erinnert mich Sherry mit seinen jodig-salzigen Nuancen – komplett weggeblasen hat.

Es war ein bernsteinfarbiges Elixier aus dem Haus J.C. Gutiérrez Colosía, wie die meisten Sherrys gekeltert aus der eher neutralen Palomino-Traube, gewachsen auf kargen Kreideböden rund um die Stadt Jerez. Der Amontillado steht seither stets als Schlummerbecher oder Kummerbrecher bereit.

Sherry wird wie Portwein aufgespritet – also mit Alkohol gestreckt. Der Colosía-Amontillado hat 18 Volumenprozent, flankiert von einer kräuterwürzigen Frische. Daneben werden auch eingelegte Dörrpflaumen und kandierte Früchte serviert.

Zu diesem Saft habe ich mein bisher eigenwilligstes Foodpairing entdeckt – Brot mit Erdnussbutter und Essiggurken. Auch ein innen flüssiger, noch warmer Schokokuchen passt wunderbar. Und danach eine Zigarre! So eigenwillig dieses Getränk ist, so vielseitig kann es kombiniert werden. Ein unzerstörbarer Allrounder.

Auch eine Zigarre harmoniert wunderbar mit dem Amontillado von Colosìa.

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.