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Rumhängen auf der Pergola: Die Top-Lagrein von Muri-Gries und der Cantina Tramin.

In einer Pergola lässt es sich gut leben. Als Traube fände ich das voll ok. Einfach so rumhängen da oben in einem Himmel aus Blättern. Im Frühling macht sich der Frost am Boden entlang vom Acker und im Herbst hängen meine süssen Früchte in luftiger Höhe – unerreichbar für das verschleckte Wild. Und der Wind, der von den Bergen herunterweht, kitzelt untenrum und sorgt dafür, dass es nie zu feucht wird im Gebälk. Nur der Hagel… tja. Manchmal gibt’s halt aufs Dach.

Ich wäre Italiener, umgeben von Alpen und Deutsch sprechenden Winzern. Wo bin ich? Im Südtirol aka Alto Adige! Das Engadin liegt hier näher als die italienische Schweiz – aber im Ticino gibt’s immerhin noch vereinzelt Weine von der Pergola. Wenn auch oft nur von «Chatzeseicherli»-Trauben. Nicht so im Südtirol. Hier hängt der gute Stoff am Himmelsdach. Aber auch hier musste die Pergel-Erziehung in den letzten Jahrzehnten untendurch. Wenn die Reben-Soldaten Spalier stehen ist das halt einfach wirtschaftlicher.

Dabei werden aus diesen Hochstämmern grandiose Weine gekeltert! Das beweisen zwei Lagrein Riserva-Weine des jetzt erhältlichen Jahrgangs 2017: Der «Abtei Muri» von Muri-Gries und der «Urban» der Cantina Tramin. Beide enthalten auch Pergola-Trauben.

Berge, Bäume, Reben…so siehts aus im Südtirol – hier leider ohne Pergola.

Lagrein ist neben Vernatsch die wichtigste rote Sorte der Weisswein-Bastion Südtirol. Hier, wo mit knapp 5500 Hektar etwas mehr Reben wachsen als im Wallis, steht über die Hälfte des weltweiten Lagrein-Bestandes. Tendenz steigend. Er ist der Lokalmatador, der bloody Boss in der Hood. Die beiden Beispiele zeigen warum: alpine Rotweine mit Charme und Kraft eines Südländers und der ätherischen Frische eines Cool-Climate-Crus. Weine mit ordentlich Säure und Tannin, aber auch mit Frucht, Schmelz und Power. Manchmal kann Lagrein auch etwas rustikal sein. Er ist halt ein Bergler.

Die Lagrein von Muri-Gries besticht mit dunkler Frucht, floralen Nuancen und animierender Kräuterwürzigkeit. Der Tramin-Cru ist reifer, opulenter, mit süsslicher, noch vom Barrique geprägter Aromatik und samtweichem Abgang. Beide symbolisieren die Entwicklung vom Massenträger zum Spitzenwein, der vermehrt nach Einzellage abgefüllt wird.

Sie erzählen die Geschichte von Schweizer Benediktinern, die 1845 von Muri nach Bozen kamen, um die Abtei in Gries zu übernehmen. Oder von der Cantina Tramin, die beweist, dass man auch als Genossenschaft Spitzenweine von Weltformat keltern kann. Die historische Abtei steht im Talkessel von Bozen, Provinzhauptstadt und Lagrein-Epizentrum. Die Cantina Tramin thront talabwärts in einem futuristischen Neubau, einer ziemlich krassen Bude für eine Genossenschaft. 

Umklammert werden beide Weingüter durch die Berge. Vom Süden her weht der süsse Wind des italienischen Dolce Vita. Es muss nicht immer Nebbiolo oder Sangiovese sein. Manchmal muss Lagrein rein. Am besten von der Pergola.

Das Kellereigebäude der Cantina Tramin: die Fassadenstruktur erinnert an Rebranken.
Klein und verschwommen: Da hat’s doch noch ne Pergola ins Bild geschafft (oben links).

Dieser Text wurde erstmals in der bz Basel veröffentlicht.

Eine Südtirol-Reportage zur Bergwerk-Bergung «Epokale»-Gewürztraminers der Cantina Tramin gibt’s hier zu lesen.