• About

Bonvinvant

~ Wein mit Attitüde

Bonvinvant

Schlagwort-Archiv: Demeter

Podcast #4 – Tom Litwan – Reduktion aufs Wesentliche

23 Dienstag Mär 2021

Posted by Bonvinvant in Aarau, Podcast, Schweiz

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

Aargau, Biodyn, Biodynamie, Demeter, Freaktal, Fricktal, Litwanwein, Pinot Noir, Podcast, Schweizer Wein, Tom Litwan

Zu Besuch im Aargauer Freaktal bei Tom Litwan, einem Meister des Schweizer Pinot Noir. Dabei erklärt der Burgund- und Champagner-Aficionado unter anderem:

…warum er zögerte, als er seine Rebfläche verdoppeln konnte
…warum Schwefel nicht des Teufels ist
…und warum er seinen Weinen (zum Glück) ein schlechter Helikopter-Vater ist

Und wir haben Erstaunliches gelernt – zum Beispiel, dass der Aargau früher mehr Rebfläche hatte als das Wallis.

Diese Schaumweine haben wir getrunken:
– Litwan Wein – Petite Meslier 2016
– Litwan Wein – Blanc de Noir Extra brut 2016

Verkostet: Litwan Wein – Thalheim Chalofe 2019

Dieser Pinot ist viel zu jung. Eigentlich… Die Younguns von Tom Litwan sind oft zurückhaltend und reduktiv. Viele blühen erst nach mehreren Jahren so richtig auf. Das findet auch Tom. Nicht aber dieses Ding hier. Der Thalheim Chalofe 2019 brettert straight drauf los, wie es sich für einen Jugendlichen gehört. Aber nicht wild, sondern voller Finesse.

Ein perfekter Pinot Noir. Die Frucht ist dunkel, die Würze ätherisch, die Struktur straff und elegant, das Finish voller Mineralik und die Gerbstoffe schon bestens gebändigt. Ein Wein, der in die Tiefe geht statt in die Breite. Von wegen verschlossen… ganz grrrrosses Kino! Kaum auszumalen, wie dieser Wein ist, wenn er in zwei, drei Jahren so richtig aufblüht.

Alles andere als zurückhaltend haben sich beim Besuch in Tom Litwans Keller übrigens auch die Pinot-Fassproben des Jahrgangs 2020 präsentiert. Vermutlich kommt deren Trotzphase erst noch. Aktuell sind das saubere, elegante Weine, manche etwas würziger und blumiger (fast an Gamay erinnernd), andere von feiner Fruchtigkeit und Mineralik wie der 19er Chalofe. So oder so vielversprechend, was da kommt!

Der Müller mit dem Baseballschläger

26 Sonntag Mai 2019

Posted by Bonvinvant in Aarau

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

Aarau, Adrians Weingut, Biodyn, Demeter, maischevergoren, orange, Orange Wine, Riesling-Sylvaner

Klatsche statt Kitsch: Der Blanc Nature 2017 von Adrian Hartmann hat Swag, Schwung und Struktur.

Ein Müller aus dem Aargau. Klingt bieder? Dann stelle man sich vor, wie einem dieser Müller voll in die Fresse gibt! Nix bieder, eher Baseballschläger. Schöner Schock. Man ist verblüfft von der Energie dieser Klatsche. Von der Energie, die freigesetzt wird, wenn ein Klischee zersplittert und einem eiskalt ins Gesicht geklatscht wird wie der Bodensatz einer Champagnerschale.

Als möchte man eine Schublade öffnen und es fällt einem ein Schrank auf den Kopf. Ein Kühlschrank voller Weisswein mit ungewöhnlich kupferner Farbe. Das ist der Müller. Auch bekannt als Müller-Thurgau oder Riesling-Sylvaner. Dieses Exemplar müsste allerdings eher Müller-Aargau heissen – die Reben wachsen im Schenkenbergertal bei Aarau – oder Müller-Radau. Denn der Blanc Naturel 2017 von Adrians Weingut wirkt neben seinen Artgenossen wie ein Rowdy – einer mit Baseballschläger.

Unkomplizierte Frucht? Vergiss es! Anspruchsloses Sommer-Weinchen? Denkste! Easy drinking? …wir kommen der Sache schon näher. Dieser Müller ist leicht zu trinken, aber schwer zu verstehen. Seine Leichtigkeit hat der kantige Kerl vor allem seiner Frische zu verdanken, dieser Kräuterwürzigkeit, die an Grüntee oder Brennnessel erinnert. Die angenehm herbe Note zieht sich durch vom ersten Schnuppern bis zum letzten Schluck. Schuld daran ist der Gerbstoff. Bei Rotwein würde man von Tannin sprechen. Aber der Dude hier ist ja weiss. Wo kommen da die Gerbstoffe her?

Die Kupferfarbe lässt es erahnen: wir haben es mit einem Orange Wine zu tun. Ein Weisswein, der wie ein Rotwein gekeltert wurde. Maischevergoren ist das Zauberwort. Der Most wurde nach der Ernte nicht sofort abgepresst, sondern zusammen mit den Traubenhäuten und Kernen, vermutlich auch mit den Stielen, vergoren. In dieser Zeit werden, wie beim Rotwein, Gerbstoffe extrahiert. Deshalb auch die satte Farbe.

Winzer unter sich: Adrian Hartmann (r.) und Andrin Schifferli an den Schweizer Weintagen.

Wer gerne einen Fruchtsalat im Glas hat, duckt sich besser, wenn der Baseballschläger angeflogen kommt. Dezente Anklänge von Mandarine und Orangenschale sind dennoch auszumachen. Das Geile an diesen orangen Dingern: Sie haben die Struktur eines Rotweins. Das macht sie zum guten Essensbegleiter – funktioniert wunderbar zu Spargel-Erdbeer-Risotto. Ausserdem entwickeln sich die Weine mit zunehmender Belüftung, Temperatur und Zeit – meist locker über mehrere Tage. So hat man mehrere Weine in einem: Zunächst ein feingliedriger Jüngling, gekühlt und frisch entkorkt. Später ein stramm strukturierter, kräftiger Kerl mit immer intensiver werdender Aromatik und Farbe.

Zu verdanken haben wir diesen Wein Adrians Weingut. Der Adrian heisst nicht Müller sondern Hartmann. Adrian Hartmann. Er führt das vom Grossvater gegründete Gut seit 2016. Ab der kommenden Ernte tragen seine Crus das Biodynamie-Label Demeter. Die elegante Frische, die Adrians Blanc Naturel hier offenbart, zieht sich übrigens durch sein ganzes Sortiment – schwungvoll wie ein Baseballschläger vor dem Homerun.

Dieser Artikel wurde erstmals in der bz Basel publiziert.

Die Domaine Nussbaumer heisst jetzt Klus 177 – und wird biodynamisch

08 Montag Apr 2019

Posted by Bonvinvant in Baselland

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Aesch, Antoine Kaufmann, Baselbiet, Baselland, Biodyn, Biodynamie, Birstal, Demeter, Domaine Nussbaumer, Goetheanum, Klus, Klus 177, Locanda Klus, Lukas Vögele, Rudolf Steiner

Biodynamisches Winzerduo: Antoine Kaufmann (r.) und Lukas Vögele (l.) haben bereits in der Provence zusammen Wein gemacht.

Riders heisst jetzt Twix – und die Aescher Domaine Nussbaumer heisst neu Klus 177. Neu sind zudem auch Eigentümer und Etiketten. Die frisch abgefüllten Weine lassen Schönes erahnen.

Auf dem Aescher Weingut Klus 177 wird viel gemeckert. Dabei hat niemand einen Grund, sich zu beschweren. Lilly, Bubbele und Freddy ist das egal. Die Ziegen ziehen meckernd zwischen den Rebstöcken umher. Mit dem Frühling kommt nicht nur neues Leben in die Reben – auch die Früchte des vergangenen Herbsts feiern ihre Auferstehung. Die meisten Weine des Jahrgangs 2018 wurden soeben abgefüllt. Die Flaschen kommen im neuen Kleid daher. Neues Etikett, vor allem aber: neuer Name und neue Philosophie.

Es ist so etwas wie der letzte Schritt in der Metamorphose der Domaine Nussbaumer zum Weingut Klus 177, benannt nach dem Domizil an der Klusstrasse 177. Anfang 2017 haben Antoine und Irene Kaufmann die Domaine übernommen. Zuvor wirkte das Paar 18 Jahre lang auf dem Delinat-Bioweingut Château Duvivier in der Provence

Elegant: Die schraffierten Flächen auf den neuen Etiketten zeigen, auf welchen Parzellen die Trauben des Weins gewachsen sind.

Rebschnitt in der Unterhose

«Es war ein gutes Gefühl zurückzukommen», sagt Antoine Kaufmann. «Ein solches Weingut in Stadtnähe zu finden, ist nicht selbstverständlich.» In der Provence hatte der Winzer ein ganzes Tal für sich allein. «Dort hättest du in Unterhosen die Reben schneiden können», sagt er mit einem Augenzwinkern.

In der Klus wäre das nicht so einfach. Oder zumindest nicht so diskret. Die Rebhänge an der Südflanke des Klusbergs markieren nicht nur den Übergang vom Faltenjura in Richtung Rheintalgraben – sie sind auch ein beliebtes Naherholungsgebiet. Mitverantwortlich dafür sind Kurt und Josy Nussbaumer, die das Weingut inklusive Restaurant ab den 1970er-Jahren weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekanntgemacht haben.

«Kurt Nussbaumer hat vor Kurzem vorbeigeguckt und sich gefreut, dass es vorwärts geht», schildert Antoine Kaufmann. Das Restaurant vis-à-vis gehört nicht mehr zum Weingut, sondern wird als «Locanda Klus» von Nicolas und Rita Dolder betrieben – sie wirkten vorher auf der Domaine. Alles in Bewegung im Karussell namens Klus.

Erstes Demeter-Weingut der Region

Die wichtigste Veränderung hat Kaufmann dort vollzogen, wo es am wichtigsten ist. Nämlich im Rebberg. Die Klus 177 ist das erste Weingut der Region, das nach einer Übergangsphase mit dem Biodynamie-Gütesiegel Demeter zertifiziert sein wird. Dieses geht noch weiter als beim Bioweinbau. Es umfasst neben der Verwendung biodynamischer Präparate auch – verglichen mit dem herkömmlichen Weinbau – den totalen Verzicht auf Herbizide und Insektizide. Dazu kommt der zurückhaltende Einsatz von Schwefeldioxid aka Sulfit – bis zu zehnmal weniger als bei manchen herkömmlichen Weinen.

Nun ist Sulfit nicht das Teufelszeug, als das es manchmal dargestellt wird. Es dient zur mikrobiologischen Stabilisierung des Weins. Winzer, die gesunde Trauben in den Keller bringen und damit umzugehen wissen, können den Einsatz von Schwefel auf ein Minimum beschränken. Oder darauf verzichten. Das ist manchmal auch eine Stilfrage.

Von Freaks und vernachlässigten Schulbüchern

Wer den Weg der Biodynamie einschlägt, weiss, was er macht. Er muss es wissen. Denn man verabschiedet sich von den meisten Tricks, mit denen ein nicht so gelungener Wein doch noch zurechtgebogen werden kann. «In den letzten 15 Jahren hat sich der Weinbau massiv verändert», stellt Kaufmann fest. «Früher waren Biowinzer Freaks, die ihre Weine nicht immer unter Kontrolle hatten. Das ist schon lange nicht mehr so.»

Lukas Vögele, Kaufmanns rechte Hand, erklärt: «Durch das sanfte Pressen der Trauben haben wir sehr wenig Trub im Most – die ideale Voraussetzung, um den Saft spontan zu vergären und den Jungwein auf der Hefe auszubauen – gemäss früheren Schulbüchern wäre sowas gar nicht möglich.» Kaufmann schmunzelt und redet von einem «kalkulierten Risiko».

Mit der Umstellung auf Rudolf Steiners biologisch-dynamische Landwirtschafts-Philosophie ist die Klus 177 vermutlich das biodynamische Weingut, das dem Goetheanum am allernächsten liegt. Der Dornacher Anthroposophen-Hotspot an der gegenüberliegenden Seite des Birstals ist manchmal sogar in Sichtweite – je nach Position im Rebberg. Für das Leben zwischen den Reben bringt die neue Arbeitsweise eine grössere Biodiversität. Die Monokultur wird durch Büsche und Einsaaten aufgelockert. Es entsteht neuer Lebensraum für weitere Vogel- und Insektenarten.

Arbeitsplatz mit Aussicht: Von gewissen Stellen aus, ist sogar das Goetheanum in Dornach zu sehen (von hier aus allerdings nicht).

Ungeschminkte Weine

Aufgewachsen in Biel-Benken, hat Kaufmann nach der Önologie-Ausbildung in Changins (VD) im Veneto, Australien, Kalifornien und Bordeaux Erfahrungen gesammelt. Seine Erkenntnisse sind simpel, aber nicht unbedingt einfach umzusetzen: deutliche Reduktion der Erträge, schonende Verarbeitung und eine langsame, sanfte Pressung der Trauben. Gefiltert wird erst kurz vor der Abfüllung. So entstehen ungeschminkte Weine aus gesunden Trauben. Diese wurden im Hitzesommer 2018 besonders früh geerntet, damit die Frische nicht flöten geht.

Nun stehen sie da, die neuen Weine. Feingliedrig und elegant – das gilt für die Etiketten, aber auch für die Weine. Der Riesling-Sylvaner und der Le Blanc präsentieren sich mit knackiger Frucht und Eleganz. Der Pinot Gris kommt cremiger und vollmundiger daher. Der Rosé ist der ideale Begleiter für kommende Erdbeer-Orgien. Auf der roten Seite zeigt der Pinot Noir, dass ein heisser Sommer 2018 nicht zwingend einen wuchtigen Wein ergeben muss – der Cru oszilliert zwischen feiner Kirschenfrucht und animierender Würzigkeit. Seine grossen Brüder, der Pinot Noir Réserve und die Assemblage Le Rouge, sind ab Herbst erhältlich.

Ran an die Flaschen!

Durstig? Wer die neuen Weine der Klus 177 verkosten möchte, hat bald die Möglichkeit dazu in der Markthalle Basel: Zuerst am Basler Wymärt (11. bis 13. April), danach an den Schweizer Weintagen (16. und 17. Mai). Natürlich kann man die Weine auch direkt auf dem Weingut saufen und kaufen. Zum Beispiel am 1. Mai am Tag der offenen Weinkeller.

Dann gibt’s in «Aesch bigott» auch weitere Produzenten zu entdecken – das beginnt bei Monika Fanti in der Vorderen Klus, geht weiter mit dem Klushof und endet hinten im Talkessel auf dem Weingut Tschäpperli, das bereits eine Auszeichnung zum Baselbieter Staatswein erhalten hat. Die Winzerinnen und Winzer der Weinbaugenossenschaft Aesch können übrigens in absehbarer Zeit auf ihr 100-jähriges Bestehen anstossen.

Es gibt also keinen Grund, zu meckern. Auch nicht für das Ziegen-Trio Lilly, Bubbele und Freddy.

Dieser Artikel wurde erstmals in der bz Basel publiziert.

WWA #3: Marie-Thérèse Chappaz – Grain Noir 2015

24 Samstag Feb 2018

Posted by Bonvinvant in Assemblage, Degustiert, Wallis

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

Biodynamie, Cabernet Sauvignon, Cebernet Franc, Chappaz, Demeter, Fully, Gilles Besse, Grain Noir, José Vouillamoz, La Liaudisaz, Marie-Thérèse Chappaz, Merlot, MTC, Wallis, wine with attitude, WWA

Marie-Therese_Chappaz_Grain_Noir_2015-3

So schnell wird man von der Aktualität überrollt: Letzte Woche versuchte ich in den Bergen meinen Beitrag zur legendären Walliser Winzerin Marie-Thérèse Chappaz zu beenden. Dann kam die Basler Fasnacht dazwischen. Inzwischen wurden zwei von Chappaz’ Weinen im Robert Parker Wine Advocate mit 99 von 100 Punkten beurteilt – nahe der Perfektion. Das gab’s noch nie für Schweizer Crus. Chapeau Chappaz!

Ausgezeichnet vom Parker-Punkter Stephan Reinhardt wurde die Grande Dame des Schweizer Weins für die Süssweine «Petite Arvine Grain par Grain 2014» und den «Ermitage Octobre 240° Oe 2006». Hier geht’s nun aber um eine rote Cuvée aus den Bordeaux-Sorten Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc – auch das gibt’s in der Schweiz nicht alle Tage. Vor allem nicht dermassen gut.

Viele Weine, so sagt man, sind wie ihre Macher. Klingt zunächst gut, dann ausgelutscht…und irgendwann dann halt doch wieder gut. Zumindest in gewissen Fällen, in denen diese Feststellung einfach passt.

Nun, ich weiss nicht, ob Marie-Thérèse Chappaz, nach Cassis, Zedernholz, Paprika und Pfeffer duftet wie ihr «Grain Noir 2015». Ich weiss aber, dass die Walliser Winzerin auf eine ganz subtile Weise Kraft und Eleganz ausstrahlt… so wie dies auch ihr Grain Noir tut.

Marie-Therese_Chappaz_Grain_Noir_2015-4

Marie-Thérese Chappaz am «Villa d’Este Wine Symposium» 2015.

Gewiss, die Grain-Noir-Assemblage aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc ist fast noch zu jung, um jetzt schon geköpft zu werden. Kopflos ist es dennoch nicht: Das tiefdunkle Elixier verströmt einen feien, ätherisch-fruchtigen Duft von dunklen Beeren (neben Cassis auch Lakritz, Schwarze Johannisbeeren, Holundergelee), Eukalyptus sowie Pfeffer und Muskatnuss, auch florale Noten deuten sich an.

Im Gaumen gibt sich der Grain Noir zunächst rund und von voller frischer, dunkler Frucht, rasch flankiert von einem strammen Rückgrat aus Säure und Tannin. Der Gerbstoff gibt sich noch jung und wild, fühlt sich aber dennoch bereits angenehm und geschmeidig an.

Trotz lediglich 13 Vol.-% präsentiert die Assemblage viel Power und eine schöne Balance zwischen dichter runder Frucht und straffer Struktur. Diesen Cru würde ich gerne in ein paar Jahren, bzw. Jahrzehnten, nochmals verkosten! Er macht mich aber jetzt schon glücklich… Ein Wein mit Attitüde, gemacht von einer Winzerin mit Attitüde.

Der Grain Noir 2015 ist kein lauter Wein, kein Effekthascher, kein King Kong. Eher ein verdeckter Superheld. Eine elegante Dame, die ihre definierte Kraft und ihren komplexen Charme mit feiner Klinge und seiltänzerischer Balance auf den Punkt bringt. Genauso habe ich Marie-Thérèse Chappaz jedenfalls erlebt, als sie Ende 2015 am «Villa d’Este Wine Symposium» am Comersee in Italien mit dem «Prix d’excellence» ausgezeichnet wurde – ihr Legendenstatus reicht nämlich nicht erst seit gestern weit über die Landesgrenze hinaus.

Eine internationale Botschafterin für Schweizer Wein

 

«Ich wusste nicht einmal, dass heute ein Preis verliehen wird», sagte die damals 55-Jährige in der für sie so typischen bescheidenen und natürlichen Art. «Wir haben so viel Potenzial und Diversität in der Schweiz. Doch um wahrgenommen zu werden, brauchen wir Feedback, Kritik und Zuneigung – ihr seid unser Spiegel.»

Mit der Auszeichnung wurde die Biodynamie-Pionierin aus Fully vor versammelter internationaler Weinprominenz für ihre Verdienste im Schweizer Weinbau geehrt.

«Marie-Thérèse Chappaz repräsentiert genau das, was Schweizer Wein darstellen soll: Ein Juwel der Alpen im Herzen Europas – sie ist eine Lokomotive, ein Leuchtturm für die Schweizer Weinwelt», erklärte Gilles Besse, Präsident von Swiss Wine Promotion.

Und José Vouillamoz, der Wallis wohnhafte Rebsorten-Spezialist, ergänzte: «Ich habe nie jemanden etwas Negatives über Marie-Thérèse Chappaz oder ihre Weine sagen hören. Über sie herrscht ein breiter Konsens in der Weinwelt. Sogar wenn man gut mit ihr befreundet ist, ist es schwierig, an ihren Wein zu kommen – jeder will ihre fantastischen Weine probieren. Chappaz gehört nicht nur zu den bekanntesten, sondern auch zu den glaubwürdigsten Winzern der Schweiz.»

Dies hat sie nun einmal mehr unter Beweis gestellt.

10 Fakten zu Marie-Thérèse Chappaz

  1. Hat 1987 die ersten 1,5 Hektar Reben übernommen – im Alter von 17 Jahren
  2. Ursprünglich wollte Chappaz Hebamme werden
  3. Zunächst musste Chappaz ihre Trauben verkaufen, weil der Keller noch nicht ready war
  4. Erster eigner Jahrgang 1988 – ein Jahr vor der Eröffnung des Kellers über Fully im Lieu-dit La Liaudisaz
  5. Heute bewirtschaftet Chappaz 10 Hektar in Fully, Charrat, Leytron und Chamoson
  6. Die Weine wachsen in einer Höhe von 450 bis 800 Meter über Meer
  7. Internationale Bekanntheit hat Chappaz vor allem dank ihren Süssweinen erlangt
  8. 1997 Entschluss zur Biodynamie, ab 2002 biodynamisch, seit 2004 mit dem Demeter-Zertifikat
  9. In der legendären kesselförmigen Steillage Combe d’Enfer wird es im Sommer bis zu 40 Grad heiss
  10. Auszeichnungen: Winzerin des Jahres (Gault Millau 1996), Prix d’excellence (Villa d’Este Wine Symposium 2015), Schweizer Weinikone (Gault Millau 2016), zwei Mal 99/100 Parker-Punkte (2018)

WWA #2: Vom Kotzbrocken zum Killer

23 Dienstag Jan 2018

Posted by Bonvinvant in Burgund, Degustiert, Pinot Noir

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

Aux Clous, Burgund, Degustiert, Demeter, Domaine d'Ardhuy, Frankreich, Impitoyable, Le Taster, Peugeot, Pinot Noir, Premier Cru, Savagny, Savigny Premier Cru Aux Clous AOC 2015, verkostet, wine with attitude, WWA, Zalto

Ardhuy Savigny 1er Cru Aux Clous 2015

Domaine d’Ardhuy: Savigny Premier Cru Aux Clous AOC 2015

Dieser Wein hat Attitude – er hat mir zur Begrüssung nämlich ins Gesicht gekotzt. Kein Scheiss. Kaum entkorkt, steigt mir ein beissender Geruch in die Nase. Eine Mischung aus Kotze und verschimmeltem, nassem Kellerkarton. Ich bin überzeugt, das Ding hat Kork. Perplex und wütend öffne ich eine zweite Flasche. Und eine dritte. Ohne Erfolg, der Wein bleibt ein widerspenstiges Scheusal.

Dabei hat der Savigny Premier Cru Aux Clous AOC 2015 von der Domaine d’Ardhuy bei der Verkostung beim Weindealer so umwerfend geschmeckt! Ein biodynamisch produzierter Pinot Noir aus dem Burgund, ausgebaut ohne Sulfit-Zusatz. Endlich einmal ein ungeschwefelter Roter, der nicht nach nassem Hund und Stahlwolle duftet…dachte ich damals.

Und nun habe ich den nassen Hund im Glas. Oder viel eher eine tote Ratte mit schimmligem Fell. Sind die fehlenden Schwefel-Stabilisatoren Schuld am Schlamassel? Haben alle drei Flaschen Kork? Befindet sich der – zugegeben noch sehr junge – Wein in einer schwierigen Phase? Ich bin ratlos.

Die Metamorphose – von der Stinke-Raupe zum Schmetterling

Drei Tage nach dem Drama zeigt sich die Diva von einer ganz anderen Seite – mit charmanter, tiefgründiger Eleganz statt Haaren auf den Zähnen. In der Nase dunkle Frucht (schwarze Johannisbeere, Sauerkirsche etc.), Eukalyptus, und eine süssliche Würze (Tabak, Schokolade, Lakritz); im Gaumen strukturiert, dicht, frisch und mit viel Zug. Balsamisch (je länger je mehr), griffige, noch etwas ruppige (weil junge) Tannine im Abgang plus eine leichte Herbe hintenraus – und viel Power. So macht die Sache Spass, der Zombie ist zum Leben erwacht! Vom Kotzbrocken zum Killer. Ein Wein, der sich in ein paar Jahren bestimmt wesentlich harmonischer präsentiert – nicht so schizophren.

Aber eines ist sicher: Meiner Liebsten würde ich diesen Wein für ihr Restaurant nicht empfehlen (was ich eigentlich vorhatte) – ausser sie hat Gäste, die sich eine halbe Woche gedulden können bis ihr Premier Cru geniessbar ist. In der heutigen Zeit, in der man alles hat – ausser Zeit. Jetzt muss ich nur noch die drei offenen Flaschen killen – bevor sie wieder ungeniessbar werden.

PS: Im Zalto-Burgunderglas hat der Wein am besten geschmeckt. Frischer, kompakter und geschliffener als etwa im Bordeaux-Glas, aus dem der Wein zwar runder, aber auch diffuser wirkt. Auch im Impitoyable Le Taster von Peugeot performt das Ding gut und wirkt noch einen Tick balsamischer, aber auch etwas staubig.

Vom Bielersee nach Basel – Wein & Sein mit Anne-Claire Schott

26 Sonntag Nov 2017

Posted by Bonvinvant in Events

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

Anne-Claire Schott, Bielersee, Biodynamie, Demeter, Kleinbasel, La Forchette, Schott Weinbau, Schweizer Weintage, Twann, Wein & Sein

171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-8

Vom Bielersee nach Basel – passt perfekt. Nicht nur, weil Winzerin Anne-Claire Schott vor ihrem Weinleben am Rheinknieknie studiert hat und die Stadt und ihre Leute bestens kennt. Sondern auch, weil die Crus der in Changins ausgebildeten Önologin perfekt zur frischen und schnörkellosen Küche des Restaurants La Fourchette passen.

Gemeinsam mit dem kleinen aber feinen Lokal im Kleinbasel haben wir (die Macher der Schweizer Weintage) am 23. November ein «Wein & Sein» mit Anne-Claire zelebriert. Wein und Essen gingen Hand in Hand – beziehungsweise Biss auf Schluck. Eigentlich war es ein Blinddate, wurden die Kombinationen doch zuvor nicht ausprobiert (nur ausstudiert). Dennoch harmonierten Essen und Wein. Kein Wunder: Was Anne-Claire Schott und Claire Guerrier aus dem Keller bzw. aus der Küche zaubern ist einfache und gute Handwerkskunst. Keine Gadgets, keine Gimmicks – ungeschminkt, schön und raffiniert.

171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-17

Besonders in Erinnerung geblieben sind der Blanc de Blancs Schaumwein aus Gutedel, Riesling-Sylvaner und Muscat mit seinem herrlich frischfruchtigen Bouquet (die limitierte Linie ist nur während der Weihnachtszeit erhältlich), der feingliedrige Gutedel Sélection 2016, der ebenso als Begleiter des geräucherten Felchenfilets begeisterte wie der rauchig-kräftige Chardonnay 2016 – die Weine offenbarten den Bielersee-Fisch jeweils von einer völlig unterschiedlichen Seite. Dank den beiden Crus wurden aus einem Gang sozusagen zwei. Und dann waren da noch der tiefgründige Pinot Noir Réserve 2015 aus der Magnum-Flasche und, als Supplement, der elegante Blanc 2016, eine Terroir-Cuvée aus der Reihe «Aroma der Landschaft», ausgebaut im Betonei und von Kritikern zurecht in höchsten Tönen gelobt.

Umso schöner, dass Anne-Claire Schott ihre Weine auch an den Schweizer Weintagen 2018 präsentieren wird. Am 24. Und 25. Mai in der Markthalle Basel (bitte vormerken). Dann wird sich Schotts Weingut übrigens «in Umstellung» befinden – auf dem Weg zur angestrebten Demeter-Label als zertifiziert biodynamisch arbeitendes Gut. Gut so!

171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-18171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-9171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-3171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-21171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-14171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-2171123_Anne-Claire_Schott_SWT-Wein_Sein_Fourchette_web-23

Inselweine aus Korsika – charmante Eigenbrötler

16 Samstag Sept 2017

Posted by Bonvinvant in Korsika, Weingüter

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Ajaccio, Alain Venturi, Aleatico, Alicante, Antoine Arena, Île de Beauté, Barbaggio, Barbarossa, Bastia, Biancu Gentile, Brasseria Ribella, Cap Corse, Carcajolu, Christophe Chiorboli, Clos Venturi, Corse, Désert des Agriates, Demeter, Domaine Comte Peraldi, Domaine Pieretti, Domaine U Stiliccionu, Domaine Vico, Fabien Guillermier, Fiera di U Vinu, François Aquaviva, Guillaume de Poix, Jean-Charles Abbatucci, Jean-Marc Venturi, Korsika, La Gaffe, Libertalia Bistro Tropical, Lina Venturi-Pieretti, Manu Venturi, Marie-Françoise Devichi, Minustrellu, Muscat à Petits Grains, Naturwein, Nicolas Stromboni, Niellucciu, Patrimonio, Ponte Leccia, Saint-Florent, Sangiovese, Sébastien Poly, Sciaccarellu, Simon Giacometti, UVA Corse, Vermentinu, Vin Doux Naturel, Yves Canarelli

Inselwein soll Wein von der Insel sein – wild, würzig, eigenständig. Nachdem Korsikas Weinwelt ins Wanken geraten ist, erleben
 die einheimischen Sorten eine zweite Renaissance. Willkommen auf einer Reise zurück in die Zukunft.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

(Voilà la version française)

Es ist, als wollten die Reben die Wellen küssen. Nur wenige korsische Weinberge kommen dem Meer so nah wie die der Domaine Pieretti am Cap Corse. «Dieses Terroir ist einzigartig! Die Weine werden immer besser, und die Leute interessieren sich dafür», sagt Alain Venturi. Mit dem Interesse steigt auch die Anbaufläche. Zu den grössten Herausforderungen gehören hier – wie fast überall auf der Insel – Trockenheit, Wind und Wildschweine. Viele Rebberge sind umgeben von Macchia-Buschwald und Wildschutzzäunen. Mit fünf Kellereien und 30 Hektar Rebfläche ist Korsikas nördlichste Appellation die kleinste. Auf den felsigen Ton- und Schieferböden der Domaine Pieretti wachsen die einheimischen Sorten Niellucciu, Muscat à Petits Grains, Vermentinu und Alicante (Grenache). Bekannt ist die Domaine für ihre weisse Cuvée Marine, einen vibrierenden Vermentinu mit frischer Frucht, feiner Würze und salzigem Abgang.

Alain Venturi, Domaine Pieretti, Cap Corse
Alain Venturi, Domaine Pieretti, Cap Corse
Domaine Pieretti, Cap Corse
Domaine Pieretti, Cap Corse
Lina Venturi-Pieretti, Domaine Pieretti
Lina Venturi-Pieretti, Domaine Pieretti

Zusammen mit seiner Frau bewirtschaftet Alain Venturi die elf Hektar umfassende Domaine Pieretti in fünfter Generation. Lina Venturi-Pieretti hat das Weingut 1989 vom Vater übernommen und seither behutsam modernisiert. Die Mariage von Tradition und Moderne ist der Schlüssel zu Erfolg und Eigenständigkeit des korsischen Weins. Das mag abgedroschen klingen, doch die heutige Dominanz lokaler Sorten ist nicht selbstverständlich. In den 60er-Jahren geriet die traditionelle Weinproduktion arg ins Wanken. Tausende sogenannte «pieds noirs» siedelten nach der Revolution in Algerien und der Loslösung von Frankreich nach Korsika über. Mit im Gepäck: ertragreiche Rebsorten für Massenweinbau. In kurzer Zeit vervierfachte sich die Rebfläche auf 31’000 Hektar. Erst in den 80er-Jahren wurde die Weinschwemme durch Rodungen und EU-Fördermittel wieder eingedämmt.

Wein und Rockmusik

Es folgte eine erste Rückbesinnung auf einheimische Sorten – allen voran Sciaccarellu und Niellucciu, in Italien als Sangiovese bekannt, sowie die weisse Varietät Vermentinu. Unterstützt wurde die Renaissance durch die Einführung neuer Herkunftsbezeichnungen, darunter neun Appellations d’Origine Protégée (AOP), und durch Winzer wie Lina Venturi-Pieretti. Heute ist sie Vizepräsidentin der Winzervereinigung UVA Corse und Präsidentin des Weinfestivals «Fiera di U Vinu». Dieses lockt im Juli jeweils Dutzende Winzer und Hunderte Weinliebhaber ins historische Zentrum von Luri.

Fiera di U Vinu, Luri
Fiera di U Vinu, Luri
Fiera di U Vinu, Luri
Fiera di U Vinu, Luri
Rock & Wein – it works very well.
Rock & Wein – it works very well.

Es gibt keine bessere Gelegenheit als das «Fiera di U Vinu», um Korsikas Weine und Winzer kennenzulernen: Ein Weinfest mit kulinarischen Spezialitäten, Folklore und Rockmusik. Hier treffen wir auf die junge Winzerin Marie-Françoise «Mlle D» Devichi. Dass sie uns als Erstes ihren Winzerkollegen Simon Giacometti vorstellt, ist sinnbildlich für die neue Winzergeneration: Man schätzt, inspiriert und unterstützt sich gegenseitig. «Wir sind jung, zahlreich – und wir wollen gemeinsam vorwärtskommen», erklärt Devichi.

Als wir sie am folgenden Tag im Herzen der Appellation Patrimonio besuchen, sind wir doppelt baff. Erstens von der atemberaubenden Aussicht bei der halbstündigen Überfahrt von der Ost- zur Westküste – auf dem Gipfel überblickt man innerhalb weniger Meter zuerst die eine, dann die andere Inselflanke. Zweitens von der Dichte an Spitzenwinzern, die sich hier wie Perlen an einer Kette aneinanderreihen. Mit 423 Hektar Rebfläche und 35 Kellereien ist Patrimonio Korsikas grösste Weinregion. Hier wurde 1968 die erste AOP ins Leben gerufen – der Anfang der Qualitätsrevolution.

Das jüngste Kind der Revolution

Eines der jüngsten Kinder dieser Revolution ist Devichi. Sie betreibt das Weingut in sechster Generation und hat nach einer Dekade Unterbrechung wieder damit begonnen, Weine unter dem Familiennamen abzufüllen. Das Medizinstudium in Marseille hat sie sausen lassen. «Seit ich den Betrieb 2012 endgültig übernommen habe, konnte ich unsere Rebfläche auf 40 Hektar verdoppeln.» Daneben hat sie dank geschicktem Einsatz von Social-Media-Plattformen wie Facebook dafür gesorgt, dass der Name Devichi wieder mit Spitzenwein in Verbindung gebracht wird.

Wrecked up...
Wrecked up…
«Mlle D» aka Marie-Françoise Devichi.
«Mlle D» aka Marie-Françoise Devichi.
Patrimonio
Patrimonio

Wer von Bastia nach Saint-Florent fährt und ein Weingut besichtigen möchte, landet als Allererstes bei ihr in Barbaggio. Um ihre Reben besuchen zu können, geht es durch das Städtchen Patrimonio hinunter ins Tal. Anders als am Cap Corse mit seiner felsigen Küste schmiegen sich hier die Weinberge sanft an die Hügelketten. In Mitten ihrer Weinberge schlummert zwischen Eukalyptusbäumen ein verlassenes Landgut, das die Fantasie beflügelt. Hier möchte Devichi eines Tages ihren Wein keltern. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht. Auch, weil Wein aus Korsika derzeit im Ausland beliebt ist. «Diese Welle müssen wir reiten», sagt Devichi entschlossen.

Wein aus der Wüste im wilden Westen

Vor der Weiterreise empfehlen wir eine kleine Erfrischung im «Libertalia Bistro Tropical» in Patrimonio, eine von Gemüsegärten umgebene Freiluft-Bar mit Hippie-Flair und einem selber gebrauten, mehrfach preisgekrönten Bio-Bier namens Ribella. Wer lieber Wein in elegantem Ambiente geniesst, wird wenige Kilometer weiter im Küstenstädtchen Saint-Florent fündig. Direkt an der Hafenpromenade wird im Michelin-Restaurant «La Gaffe» die wohl beste korsische Weinauswahl der Insel geboten. Gastgeber und Sommelier Christophe Chiorboli könnte problemlos als Weinbotschafter von Korsika um die Welt geschickt werden – seine Begeisterung für die heimischen Kreszenzen schlägt sich in einer armdicken Weinkarte nieder. Und in einem Keller, in dem Jahrzehnte alte korsische Weinraritäten lagern.

Von Saint Florent aus führt die Reise weiter in Richtung Westen. Ein dreckiges dutzend Kilometer in den staubigen und heissen wilden Westen. Die Désert des Agriates ist geprägt von Hitze, Wind und kargen Felsen. Mitten im Niemandsland: ein Weingut mit Weiher, umgeben von Reben. Es ist die Oase von Simon Giacometti, den uns Devichi vorgestellt hat. «Wir haben vor allem unter den Jungen einen sehr guten Zusammenhalt», schildert Giacometti. Der 27-Jährige bewirtschaftet mit Vater Christian und Schwester Sarah 29 Hektar am Fuss des Monte Genova.

Domaine Giacometti, Santo-Pietro-di-Tenda
Domaine Giacometti, Santo-Pietro-di-Tenda
Simon & Christian Giacometti, Domaine Giacometti
Simon & Christian Giacometti, Domaine Giacometti
Domaine Giacometti, Santo-Pietro-di-Tenda
Domaine Giacometti, Santo-Pietro-di-Tenda

Hinter einer Dunstwolke ist der Golf von Saint Florent auszumachen. Während die Rotweine in Patrimonio gewöhnlich auf schwereren Ton- und Kalkböden gedeihen, wachsen sie hier auf durchlässigen Granitböden. Kalk gibt Kraft, Granit sorgt für Finesse – deshalb sind Giacomettis Weine aus dem wilden Westen feiner strukturiert als ihre Brüder aus den Hügeln hinter Saint-Florent. Die Blätter von Giacomettis Pflanzen sind überzogen von einem feinen weissen Film. Der Kalk fehlt hier zwar im Boden, ausgebracht in den Reben dient er aber als natürlicher Insektenschutz. Wie die meisten Patrimonio-Winzer arbeitet Giacometti biologisch.

Im gebirgigen Herzen der Insel

Es geht weiter in Richtung Süden nach Ponte Leccia, wo sich am Fuss der über 2500 Meter hohen Bergkette, die Korsika wie ein Rückgrat durchzieht, die einzige grosse Domaine im Zentrum der Insel befindet. Es sind zwei Weingüter in einem: Die Domaine Vico produziert auf 46 Hektar in rund 260 Meter Höhe ihre Weine. Die zum Betrieb gehörenden 26 Hektar des Clos Venturi wachsen gar in rund 460 Meter Höhe. Sämtliche Reben sind grossen Temperaturunterschieden ausgesetzt. Die einzigartige Lage und die Pionierarbeit von François Aquaviva sowie Jean-Marc und Manu Venturi, die das Weingut auf Qualität, Ökologie und autochthone Rebsorten getrimmt haben, liessen die Weine des Hauses zu den besten der Insel werden.

Domaine Vico​ & Clos Venturi​, Ponte Leccia
Domaine Vico​ & Clos Venturi​, Ponte Leccia
Fabien Guillermier, Domaine Vico​ & Clos Venturi​, Ponte Leccia
Fabien Guillermier, Domaine Vico​ & Clos Venturi​, Ponte Leccia
160708_Bonvinvant_Korsika_Domaine_Domaine_Vico_Clos_Venturi_Ponte-Leccia-15_web
Domaine Vico​ & Clos Venturi​, Ponte Leccia
Domaine Vico​ & Clos Venturi​, Ponte Leccia

Auf der Domaine Vico erhält die frisch umgebaute Kellerei den letzten Schliff. Die gigantischen Betontanks aus früheren Zeiten wurden zweckentfremdet: Die wohnzimmergrossen Wannen beherbergen heute Flaschen, Barriques und Amphoren. Klasse statt Masse auch hier. Vom Keller ins Glas: Sehr eigen präsentiert sich der reinsortige Carcajolu aus der Weinlinie 1769. Dieses Purpur bringt sonst kaum ein korsischer Wein ins Glas. Neben frischer dunkler Frucht sind auch Noten von Veilchen auszumachen, dazu eine saftige Säure und feine Tannine. «Hier gehen wir voll auf die Frucht», erklärt Kellermeister Fabien Guillermier. Der Carcajolu gehört – wie Biancu Gentile, Barbarossa, Minustrellu oder Aleatico – zu jenen korsischen Sorten, die vermehrt reinsortig ausgebaut werden.

Da die AOP-Weingesetzgebung diesem Umstand noch nicht Rechnung getragen hat, verzichten zahlreiche Winzer auf eine entsprechende Zertifizierung. Raus aus der Appellation, zurück in die Zukunft! Zu einer Renaissance verholfen haben diesen Sorten Produzenten wie Winzerlegende Antoine Arena, Jean-Charles Abbatucci oder Yves Canarelli.

Naturwein-Raritäten aus dem Süden

Am südwestlichen Ende des Gebirges befindet sich die Domaine Comte Peraldi, ein weiterer Familienbetrieb mit Pionierstatus im Qualitätsweinbau. Heute ist Guillaume de Poix für den 50-Hektar-Betrieb am Stadtrand von Ajaccio verantwortlich. Wie die meisten jungen Winzer hat der 28-Jährige seine Ausbildung auf dem Festland absolviert. «Als ich im Burgund das erste Mal Pinot Noir trank, habe ich fast nichts gespürt», erinnert er sich. «Heute schätze ich Pinot und sehe Parallelen zum Sciaccarellu, der auch eher weniger Farbe und Tannin hat.»

Wir beenden unseren Roadtrip bei Sébastien Poly, einem der interessantesten Winzer der Insel. Seine Domaine U Stiliccionu liegt am südlichen Ende der AOP Ajaccio. Poly keltert Demeter-zertifizierte Naturweine, spontan vergoren und ohne Filtration oder Sulfitzusatz abgefüllt. Seine Domaine ist Mitglied der «Renaissance des Appellations» von Loire-Winzerlegende Nicolas Joly (Coulée de Serrant). Die Produktion der sechs Hektar kleinen Domaine ist jeweils in Windeseile vergriffen. Poly ist etwas in Hektik, seine Abfüllmaschine hat einen Achsenbruch erlitten. Und jetzt gibt’s auch noch Probleme mit einer Weinlieferung nach Kanada.

Sébastien Poly, Domaine u stiliccionu, Serra-di-Ferro
Sébastien Poly, Domaine u stiliccionu, Serra-di-Ferro
Domaine u stiliccionu, Serra-di-Ferro
Domaine u stiliccionu, Serra-di-Ferro
Sébastien Poly, Domaine u stiliccionu, Serra-di-Ferro
Sébastien Poly, Domaine u stiliccionu, Serra-di-Ferro
Domaine u stiliccionu, Serra-di-Ferro
Domaine u stiliccionu, Serra-di-Ferro

Die Domaine ist ein Einmannbetrieb, Poly hat sie vor rund einer Dekade nach Wanderjahren in Cahors, Neuseeland und Tokaij von seiner Familie übernommen. «Für mich war immer klar, dass ich biodynamisch arbeite», erklärt er. Das Interessante am biodynamischen Naturwein sei, dass er sich nach dem Öffnen super entfalte und häufig besser würde. Herkömmliche Weine seien nach einem Tag an der Luft oft tot.

Als wir dem Geheimnis von Polys Naturweinen auf den Grund gehen wollen, folgt die Ernüchterung. «Wein? Ich habe keinen Wein, alles abgefüllt und verkauft», sagt Poly mit grösster Selbstverständlichkeit. «Dégustation et vente» sagt hingegen das Strassenschild vor der Domaine. «Muss noch abgehängt werden», meint die Einmannarmee, bevor doch noch zwei Flaschen auftauchen. Wir verkosten einen vielschichtigen Vermentinu mit feiner Würze und runder Frucht. Der Wein vereint Opulenz und Raffinesse, hat aber auch eine wilde, ungezähmte Seite. Eigentlich ein schönes Sinnbild für die Weine Korsikas – und die Insel, auf der sie wachsen.


6 Weintipps aus Korsika

Von Sciaccarellu über Niellucciu bis zum wiederentdeckten Biancu Gentile – Korsika verfügt über eine Vielzahl einheimischer Sorten. Strukturierte Schätze mit frischer Frucht, feiner Würze und oft auch einer gewissen Salzigkeit.

Korsika-Weine_Flaschenbilder_web

Domaine Pieretti
Muscat du Cap Corse AOP 2015
17 Punkte | 2016 bis 2036
Für einen aufgespriteten Vin Doux Naturel ist dieser Muscat erstaunlich frisch in der Nase. Daneben sind Birne, Quittengelee, etwas Honig und weisse Blüten sowie eine feine Würze auszumachen. Im Gaumen sanft und cremig. Zunächst animiert eine feine Würze, dann macht sich ein feiner Säurenerv bemerkbar. Süss, spannend, elegant.

Marie-Françoise Devichi
Patrimonio AOP Mlle D 2014
17.5 Punkte | 2016 bis 2026
Meist unterscheidet sich Niellucciu durch sein ausgeprägtes Tannin von der zweiten roten korsischen Leitsorte Sciaccarellu. Nicht bei Devichi. Ihr Niellucciu begeistert mit viel Frucht und Trinkfluss. «Ich möchte etwas machen, das mir gefällt und das mich vom Rest unterscheidet.» Das hat sie geschafft!

Domaine Giacometti
Patrimonio AOP Cru des Agriate Rosé 2015
17 Punkte | 2016 bis 2019
Rosé ist eine korsische Spezialität, die man nicht übergehen darf. Vor allem, wenn er so frischfruchtig, würzig und mineralisch ist wie bei Giacometti. Die Niellucciu- und Sciaccarellu-Trauben wurden direkt gepresst und zusammen vergoren. Perfekt für die Terrasse, aber auch als Essensbegleiter.

Clos Venturi
Vin de France 1769 Biancu Gentile 2015
17.5 Punkte | 2016 bis 2023
Die autochthone Weissweinsorte wird immer öfter auch reinsortig gekeltert – zum Glück! Mit ihren exotischen Nuancen und ihrem üppigen Körper ist sie eine schöne Alternative zum zitrisch-frischen Vermentinu. Beim Clos Venturi sind neben Agru- men- und Pfirsicharomen auch Noten von Rose und Muskat auszumachen. Cremig und salzig im Finish.

Domaine Comte Peraldi
Vin de Corse Cuvée Guillaume 2013
17.5 Punkte | 2016 bis 2026
Die Cuvée aus Niellucciu, Syrah und Carignan hat das Peraldi-Sortiment als Letztes erweitert, benannt von Guy de Poix noch seinem Sohn Guillaume. In der Nase elegant mit dunkler Frucht, im Gaumen strukturiert mit viel Tannin und Pfeffer, Lakritz und feiner Kräuterwürze. Ein Wein mit Kraft und Zug.

Domaine U Stiliccionu, Serra di Ferro
Ajaccio AOP Emy-Lidia 2015
18 Punkte | 2016 bis 2021
Gewachsen auf Granit, spontan vergoren und ohne Sulfit vinifiziert, präsentiert sich dieser Vermentinu mit komplexen Aromen von Pfirsich und Birne über weisse Blüten bis zu Safran, Mandeln und Butter. Würzig im Auftakt mit runder Frucht und animierender Säure. Langer, kraftvoller Abgang.

Diese Reportage wurde erstmals in der Ausgabe 09/2016 des Weinmagazins VINUM veröffentlicht.

PS: Wer sich für die vielfältige Küche Korsikas und deren Weinbegleitung interessiert, wird mit dem selten schön gestalteten Buch «Du pain, du vin, des oursins» von Nicolas Stromboni glücklich:

Du_Vin_Du_Pain_Des_OursinsPPS: Online-Lesetipp! Der Weinblog Verywinetrip berichtet straight outta Korsika.

Corse – sauvages autochtones

15 Freitag Sept 2017

Posted by Bonvinvant in Korsika, Weingüter

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Ajaccio, Alain Venturi, Aleatico, Alicante, Antoine Arena, Île de Beauté, Barbaggio, Barbarossa, Bastia, Biancu Gentile, Brasseria Ribella, Cap Corse, Carcajolu, Christophe Chiorboli, Clos Venturi, Corse, Désert des Agriates, Demeter, Domaine Comte Peraldi, Domaine Pieretti, Domaine U Stiliccionu, Domaine Vico, Fabien Guillermier, François Aquaviva, Guillaume de Poix, Jean-Charles Abbatucci, Jean-Marc Venturi, La Gaffe, Libertalia Bistro Tropical, Lina Venturi-Pieretti, Manu Venturi, Marie-Françoise Devichi, Minustrellu, Muscat à Petits Grains, Niellucciu, Patrimonio, Ponte Leccia, Saint-Florent, Sangiovese, Sébastien Poly, Sciaccarellu, Simon Giacometti, UVA Corse, Vermentinu, vin, Vin Doux Naturel, vin naturel, Yves Canarelli

A l’image de l’Ile de Beauté, de ses habitants ou de ses fromages, le vin corse contemporain se révèle sauvage, épicé et original. Un caractère bien trempé dû en partie aux divers microclimats insulaires et en partie aux cépages indigènes que les vignerons corses s’efforcent de remettre au premier plan.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

(Die deutsche Version gibt es hier)

Il semble que les vignes cherchent à embrasser les vagues. Peu de vignobles corses sont aussi près de la mer que ceux du domaine Pieretti au Cap Corse. «Ce terroir est unique! Les vins ne cessent de se bonifier, ce qui éveille l’intérêt des gens», explique Alain Venturi. L’intérêt fait aussi croître la surface d’exploitation. Comme partout ailleurs ou presque sur l’île, la sècheresse, le vent et la faune constituent des défis qu’il faut savoir relever. De nombreux vignobles sont entourés de maquis et de clôtures contre les sangliers

Avec cinq caves et trente hectares de vignes, l’appellation la plus septentrionale de l’Ile de Beauté est aussi la plus petite. Les cépages autochtones Niellucciu, Muscat à Petits Grains, Vermentinu et Alicante (Grenache) poussent dans les sols rocheux mêlant schiste et argile du domaine Pieretti. Celui-ci est connu pour sa cuvée blanche Marine, un Vermentinu vif développant un fruit frais, des arômes délicats et une finale salée. Weiterlesen →

«Unter -2°C ist es aus, basta» Die Crowdfunding-Aktion des Weintage-Winzers Marco Casanova

11 Donnerstag Mai 2017

Posted by Bonvinvant in Graubünden, St. Gallen, Weingüter

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

100 Days, Biodynamie, CasaNova Wein Pur, Crowdfunding, Demeter, Frost, Graubünden, Hagel, Interview, Marco Casanova, Schweizer Weintage, St. Gallen, Walenstadt, Winzer, Zizers

Schweizer_Weintage_2017_Marco_Casanova_web

Marco Casanova an den Schweizer Weintagen, kurz vor seinem Crowdfunding-Endspurt. 6 Tage vor dem Ende steht seine Aktion bei 84,6 Prozent. Also looos…hier unterstützen!

Update vom 19. Mai 2017: Vier Tage vor der Deadline hat Marco Casanova den angestrebten Betrag von 60’000 Franken beisammen. Herzliche Gratulation!

Mit Crowdfunding aus der Not: Nach 20 Jahren Weinbau hat sich Marco Casanova 2013 selbstständig gemacht. Seither kultiviert er seine Reben in Zizers (GR) und Walenstadt (SG) nach biodynamischer Philosophie. Das schwierige Jahr 2016 war Casanovas bisher «intensivstes Rebenjahr» mit hohen Ertragsausfällen durch Frost, Hagel, Mehltau und Kirschessigfliege. Damit sein junges Unternehmen CasaNova Wein Pur weiterhin bestehen kann, sucht Casanova über die Crowdfunding-Plattform «100 Days» noch bis nach finanzieller Unterstützung – nach dem schlimmen Spätfrost im April 2017 wird diese sogar noch dringender gebraucht. Die

Die Crowdfunding-Aktion, bei deren Angebot man vom Weinpaket bis zur Kellerführung mit Verkostung und Übernachtung geht, steht aktuell (Stand 11. Mai 2017) bei 72,8 Prozent und dauert noch 13 Tage. Bevor ihr Marco Casanova grosszügig unterstützt, könnt ihr seine Weine heute und morgen (11. und 12. Mai) an den Schweizer Weintagen verkosten – und sein Interview lesen zum Struggle im Rebberg, biodynamischem Weinbau und den Schweizer Weintagen.

Marco Casanova, über die Crowdfunding-Plattform «100 Days» suchst Du nach einem wettertechnisch und finanziell schwierigen Jahrgang 2016 nach «Boostern», die Dein junges Unternehmen unterstützen. Wie ist die Resonanz auf dieses ehrliche und (noch) ungewöhnliche Vorgehen?
Sehr gut. Ich erhalte viel Resonanz, auch ausserhalb der Crowdfunding-Aktion mit Hilfe und Angeboten in verschiedenster Form.

Hast Du das Gefühl, dass die Aktion gewissen Weintrinkern ein besseres Verständnis für den Aufwand und die Risiken eines Winzers vermittelt?
Das kann ich so nicht sagen. Aber sicher ist, es sind Leute, die ein Verständnis dafür haben, dass man für den Aufbau eines jungen Unternehmens nicht alle Risiken vorsehen oder gar budgetieren kann. Es sei denn, man ist mehrfacher Millionär. In meinem Fall, habe ich weder Immobilien noch Land als Sicherheiten – das würde eine Bank natürlich gerne sehen bei Investitionen.

Hattest Du in Bezug auf das Crowdfunding spezielle Erlebnisse, die Dich überrascht, berührt oder sonst irgendwie bewegt haben?
Ich stosse auf viel Verständnis und Zuspruch mit meiner vorwärts gerichteten Aktion. All die Kontakte, die guten und motivierenden Gespräche haben mich sehr bewegt und Mut gemacht. Auch in Bezug auf die jetzige Situation nach diesem schwierigen Start ins Jahr.

Wie geht es den Reben in Zizers und Walenstadt?
Es sieht schlecht aus.

Was waren Deine ersten Gedanken nach den Frostnächten im April?
Sch***** nicht schon wieder!

Hast Du die Rebstöcke mit speziellen Massnahmen gegen den Spätfrost geschützt? Mit Erfolg?
Wir konnten die Reben in Zizers beide Nächte einigermassen schützen mit Pellets-Säcken, die wir anzündeten. Walenstadt war organisatorisch ein Spagat. Wir zündeten in der zweiten Nacht Feuer an in den Lagen Fürscht und Fürschtberg. Der Hof – meine höchste Lage mit 1,5 Hektar Riesling-Silvaner und Bauburgunder – wurde bereits in der ersten Nacht schwer getroffen. Das Thermometer fiel in der ersten Nacht noch weniger tief, jedoch vermute ich, dass die enorme Nässe ausschlaggebend war für das erfrieren der Schosse. In der Seemühle (Kaliforni) ging ich auf Risiko, machte nichts, und hoffte auf die mildernde Wirkung des Sees. Die Taktik ging auf: auf 1,7 Hektar gab’s nur etwa 20% Frostschäden. Ein kleiner Trost.

Casanova_IMG_1468
Casanova_Kaliforni
Casanova_FB

Wie gross ist die Chance, dass sich die Reben jetzt noch erholen?
Im Hof habe ich 100 Prozent Frostschäden, kein einzig grüner Trieb war mehr am Stock. Hier rechne ich mit etwa 10 bis 15 Prozent fruchtbarer Seitenschosse, die noch austreiben werden. Über die Qualität kann noch nicht gesprochen werden, das Rebjahr hat ja erst begonnen…

Kommt es den Pflanzen nun zugute, dass sie biodynamisch kultiviert werden? Etwa indem sie robuster und vitaler sind und bessere Energiereserven haben?
Nein, das ist eine höhere Gewalt der Natur. Wenn eine Rebe früh austreibt und Frost unter -2°C kommt ist, es aus. Basta.

Ich hoffe, das ist nicht Dein Szenario, aber: Was für Arbeiten fallen in der restlichen Vegetationsperiode an, wenn sämtliche Triebe verfroren sind und kein Ertrag mehr in Aussicht ist?
Es geht unverändert weiter – einzig das Erlesen beginnt später. Aber alle Schosse, die jetzt noch Austreiben, muss man genauso mit Pflanzenschutz schützen – auch wenn sie keine Trauben tragen. Es geht um den Stockaufbau im kommenden Jahr. Dafür brauchen wir wieder gesundes Holz zum anbinden. Auch die Bodenbearbeitung, sprich mähen, läuft weiter.

Wie wirkt sich der biodynamische Anbau auf die Reben und den Wein aus?
Bei den Reben ist das Ziel, dass sie sich mehr eigene Abwehrstoffe aufbauen und der Pflanzenschutz mit natürlichen Mitteln zu 100 Prozent hält. Im Wein soll der Boden und die Mineralität voll erlebbar sein.

Du betreibst den einzigen Weinbaubetrieb mit eigener Kellerei in Walenstadt. Was ist das besondere an diesem Ort, seinen Böden, seiner Exposition?
Walenstadts Weinbaugeschichte geht 2000 Jahren zurück. Das Gestein ist tiefgründig, mineralisch, sehr kalkhaltig und in Südlage. Der See spielt natürlich auch eine wichtige Rolle: Tagsüber werden die Trauben durch die Spiegelung des Walensees und der intensiven Sonneneinstrahlung stark erhitzt, abends werden sie vom Fallwind, der über die hohen, steilen Felswände der Churfirsten herunterweht, abgekühlt.

Wer braucht schon das kalifornische Napa Valley – bei Dir gibt’s den Weingarten «Kaliforni». Was hat’s damit auf sich? Woher der Name?
«Kali» kommt von Kalk, «forni» von Four (Ofen), also Kalkofen. Dort wurde vor 150 Jahren Kalk abgebaut. Es war der erste Untertagbau der Schweiz.

Welche Traube gedeiht hier deiner Meinung nach am besten – und wieso?
Chardonnay und Pinot Noir. Beides sind Sorten, die den Kalk lieben.

Vergangenes Jahr kamen mit Frost, Hagel, Mehltau und der Kirschessigfliege fast alle Übel auf einmal zusammen. Wie happig ist es da, im Folgejahr gleich nochmals Frostschäden zu haben, die das Ausmass des Vorjahres sogar noch übersteigen?
Bitter. Aber ich sehe mich ja nicht alleine mit dieser Situation konfrontiert. Dieses Jahr traf es viele Winzer auf beiden Beinen.

Trotz aller Naturgewalten – die Weinqualität muss darunter ja nicht zwingend leiden. Was erwartest Du vom Jahrgang 2016?
Der ist Ausgezeichnet.

Wie präsentieren sich die Weine, die Du heute an den Schweizer Weintagen in der Markthalle ausschenken wirst?
Die Weissweine zeigen sich von einer sehr schönen Fruchtigkeit, Frische und Komplexität und angenehm im Gaumen. Sehr sortentypisch. Meine Favoriten sind der Seemühle Chardonnay 2015 und der Fürscht Pinot 2015.

Wie hast Du die Schweizer Weintage bisher erlebt?
Als sehr angenehme, kleine und übersichtliche Weinmesse an einem wunderbaren Ort in dieser Markhalle.

Was sind Deine wichtigsten Erkenntnisse nach über 20 Jahren Weinbau?
Die Natur! Wir leben mitten in ihr – und sind ihr fremd. Sie spricht unaufhörlich mit uns – und verrät uns ihr Geheimnis nicht. Wir wirken beständig auf sie – und haben doch keine Gewalt über sie.

Facts & Figures: CasaNova Wein Pur

Im Rebberg
Lagen: Walenstadt; Seemühle (Kaliforni), Fürscht und Hof, Zizers; Bovel
Rebfläche: 5ha
Traubensorten: Riesling-Silvaner, Chardonnay, Sauvignon blanc, Riesling, Pinot Noir, Cabernet Jura, Gamaret
Erziehungssystem der Reben: Einfacher Strecker
Mittlerer Ertrag: 600g/m2
Ernte: Manuell, im Rebberg gesöndert
Zertifizierung: Demeter (in Umstellung)

Im Keller
Filtration: Nur wenn nötig, je nach Jahrgang mit Papierschichtenfilter
Schönung: keine, oder wenn nötig mit Kartoffelstärke (Vegan)
Ausbau: Stahltank, Barriques, und 600-Liter-Pieces
Durchschnittliche SO2-Zugabe: 60-90mg/l
Weine pro Jahrgang: In einem normalen Jahr, ca. 25’000 Flaschen mit 12 verschiedenen Weintypen.

Marco Casanova bei »100 Days» unterstützen
www.casanova-weinpur.ch
CasaNova Wein Pur bei Facebook

Casanova_Screenshot_Portrait

«Nicht schon wieder!» Marco Casanovas Start als selbstständiger Winzer wird durch die Wetterkapriolen der letzten Monate erschwert – das nimmt er nicht tatenlos hin.

Casanova_Screenshot_Schnee

Merken

Weisse Freshness aus Penedès

03 Freitag Feb 2017

Posted by Bonvinvant in Degustiert, Penedès

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

Biodynamie, Cavas Gramona, Demeter, Font Jui, Goetheanum, Gramona, Katalonien, Penedès, Spanien, Weisswein, Xarel.Lo

gramona_xarel-lo_font_jui_2014_web-quadrat

Cavas Gramona: Penedès DO Xarel.Lo Font Jui 2014

Da hat Kommissar Zufall wieder einmal beste Arbeit geleistet: Der Saumur-Chenin steht schon bereit als es klingelt und der liebe Nachbar mit einer Flasche Weisswein aus Penedès, Katalonien, vor der Türe steht. Au revoir Saumur…hola Xarel.Lo! Wie es zu diesem Wein-Segen kommt? Der Macher des Crus nächtigt im Hotel um die Ecke, weil im Anthroposophen-Tempel Goetheanum – zwei Ecken weiter – eine Biodynamie-Fachtagung stattfindet. Vorgestern war der Demeter-Winzer mitsamt Entourage in Myggelis Restaurant. Wenn ich das nur gewusst hätte!

Nun muss ich halt mit dem Wein vorliebnehmen: Ein Penedès DO Xarel.Lo Font Jui 2014 der Cavas Gramona. Und dieser Wein hat es in sich! Unglaublich expressive Nase. Agrumen im Überfluss, vor allem Zitronenzeste, daneben eine frisch-kühle Mineralik, die an nassen Stein erinnert – einen, den man sofort ablecken möchte. Mit der Zeit offenbaren sich auch reifere Aromen von frischem gelbem Steinobst und, ja, auch ein Hauch Gummi. Ist das Sortentypisch? Daneben etwas Orangenblüte, Kardamom, Safran und Heu – je länger je mehr. Ganz spannend! Im Gaumen sehr lebendig mit einer vibrierenden Säure und einer angenehmen Amertume im Abgang. Dass dieses weisse Wunder im Barrique vergoren wurde, zeigt sich in keinster Weise. Sehr schöner Tropfen. Trinkig. Putzt man mit seinen 12 Vol.-% in einer halben Stunde weg – alleine. Vielleicht sollte ich morgen mal an diesem Biodynamie-Treffen vorbeigucken. Findet ja fast vor der Haustüre statt.

Den Xarel.Lo Font Jui 2014 gibt es in der Schweiz bei Spanienweinonline.ch zu beziehen. Die vielgerühmten Gramona-Cavas gibts bei Smith&Smith.

Aktuelle Beiträge

  • Podcast #8 – Martin Schrader – Knak & Badischer Weinbahnhof, Büchsenwein
  • Podcast #7 – Scherer + Zimmer mit Gutedel, Spargel und heiklem Hanf
  • Podcast #6 – Sandra Knecht und Fredy Löw – bringt die kritische Künstlerin den skeptischen Winzer zum Naturwein?
  • Podcast #5 – Stadtbasler Wein mit Silas Weiss vom Weingut Riehen
  • Podcast #4 – Tom Litwan – Reduktion aufs Wesentliche

Instagram

Es wurden keine Instagram-Bilder gefunden.

Bonvinvant bei Twitter

  • 💥🎤🍷Pow, pow, Powdcast N°5 ist da – diesmal mit Silas Weiss vom Weingut Riehen. Der grösste und in dieser Form auch… twitter.com/i/web/status/1… 1 year ago
  • 🍾🍾🎙Pow, pow, Podcast – straight outta #Markgräflerland! Zu Besuch bei #MaxGeitlinger im #Hirschen #Egerten. Wir red… twitter.com/i/web/status/1… 1 year ago
  • Keine falsche Scheu! #Wein muss schmecken, so einfach ist's –@da muss man nicht lange labern. Wir haben's trotzdem… twitter.com/i/web/status/1… 2 years ago
Follow @Bonvinvant

Bonvinvant

Bonvinvant

Kategorien

  • Anderes Weinzeug (1)
  • Degustiert (30)
  • Essen (18)
    • Gastronomie (16)
      • Hotel (2)
      • Restaurant (4)
        • Guide Michelin (1)
    • Käse (1)
    • Rezept (1)
  • Events (5)
  • Im Rebberg (10)
  • Jahrgänge (2)
  • Kolumne (35)
  • Mein Weinexperiment (17)
    • Im Garten (12)
    • Im Keller (2)
  • Meine Zeitungsartikel (20)
  • Podcast (8)
  • Region (80)
    • Bordeaux (2)
    • Deutschland (12)
      • Baden (10)
      • Mosel (1)
      • Württemberg (1)
    • Dreiland (5)
    • Frankreich (9)
      • Burgund (2)
      • Elsass (1)
      • Jura (2)
      • Korsika (2)
      • Rhone (1)
    • Italien (6)
    • Loire (2)
    • Neue Welt (1)
    • Penedès (1)
    • Rioja (ESP) (1)
    • Schweiz (38)
      • Aarau (3)
      • Basel-Stadt (3)
      • Baselland (18)
      • Graubünden (5)
      • Schaffhausen (2)
      • St. Gallen (1)
      • Waadt (1)
    • Tessin (4)
    • Wallis (6)
  • Spanien (3)
  • Traubensorte (10)
    • Assemblage (2)
    • Chasselas (2)
    • Merlot (2)
    • Pinot Noir (5)
  • Uncategorized (8)
  • Web & Social Media (1)
  • Weingüter (9)
Follow Bonvinvant on WordPress.com

Archiv

  • November 2021
  • Mai 2021
  • April 2021
  • März 2021
  • Februar 2021
  • Januar 2021
  • Dezember 2020
  • Oktober 2020
  • September 2020
  • Juni 2020
  • Mai 2020
  • April 2020
  • März 2020
  • Januar 2020
  • Dezember 2019
  • November 2019
  • Oktober 2019
  • September 2019
  • August 2019
  • Juli 2019
  • Juni 2019
  • Mai 2019
  • April 2019
  • März 2019
  • Februar 2019
  • Januar 2019
  • Dezember 2018
  • November 2018
  • September 2018
  • Juni 2018
  • Mai 2018
  • März 2018
  • Februar 2018
  • Januar 2018
  • November 2017
  • September 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017
  • April 2017
  • März 2017
  • Februar 2017
  • Januar 2017
  • November 2016
  • Oktober 2016
  • April 2016
  • August 2015
  • April 2015
  • März 2015
  • Februar 2015
  • November 2014
  • Oktober 2014
  • September 2014
  • August 2014
  • Juni 2014
  • April 2014
  • März 2014
  • Februar 2014
  • Januar 2014
  • Dezember 2013
  • November 2013
  • Oktober 2013
  • September 2013
  • August 2013
  • Juni 2013
  • Mai 2013
  • April 2013
  • März 2013
  • Februar 2013
  • Januar 2013
  • Dezember 2012
  • November 2012
  • Oktober 2012

Meta

  • Registrieren
  • Anmelden
  • Feed der Einträge
  • Kommentare-Feed
  • WordPress.com

Social Media

  • Profil von Bonvinvant auf Facebook anzeigen
  • Profil von Bonvinvant auf Twitter anzeigen
  • Profil von fetchonfire_bonvinvant auf Instagram anzeigen
  • Profil von Bonvinvant auf Pinterest anzeigen
  • Profil von joël-gernet-a6931181/ auf LinkedIn anzeigen

Bloggen auf WordPress.com.

  • Abonnieren Abonniert
    • Bonvinvant
    • Schließe dich 26 Followern an
    • Du hast bereits ein WordPress.com-Konto? Melde dich jetzt an.
    • Bonvinvant
    • Anpassen
    • Abonnieren Abonniert
    • Registrieren
    • Anmelden
    • Melde diesen Inhalt
    • Website im Reader anzeigen
    • Abonnements verwalten
    • Diese Leiste einklappen
 

Lade Kommentare …