Schlagwörter
Alpen, Bregl da Heida, Candrian, Cantrio, Graubünden, Mas Cantrio, Piwi, Razzmatazz, Resvegl, Rhein, Sagogn, Solaris, Winzer
Sie kommen aus Graubünden. Ihr Weingut steht in Katalonien. Doch nun haben sie eine uralte Reblage in ihrer Heimat wiederbelebt – in einem Klima, dass im krassen Kontrast steht zu ihrem Spanien-Projekt. Grund genug für einen Besuch bei Hannes, Martin und Aron Candrian in Sagogn. Das Trio bewirtschaftet seit Kurzem den allerersten Rebberg am Rhein, der bis zu seiner Mündung unzählige weltbekannte Weinregionen wie Elsass, Baden oder das Rheingau durchfliesst.

Sonne, Schnee und neu auch ein Weinberg – Panoramablick über Sagogn (GR).
Im Herbst 2016 wurde im kleinen Bündner Bergdorf Sagogn der erste Wein am Rhein geerntet. Geografisch betrachtet, versteht sich. Hier, rund 50 Kilometer unterhalb der Rheinquelle(n), nur einen Spaziergang entfernt vom Skigebiet Flims/Laax, wachsen 300 pilzwiderstandsfähige Solaris-Rebstöcke. Sie wurzeln im kargen Kalkboden eines uralten Schuttkegels, in den der Rhein imposante Schluchten hineingefressen hat.
«Wir spielten schon länger mit dem Gedanken, in Sagogn wieder Wein anzubauen», erklärt Aron Candrian. Der Forstwart und Marketingfachmann steht inmitten der Jungreben, die er 2012 in seinem Heimatdorf gepflanzt hat – zusammen mit Vater Hannes und Bruder Martin. «Je mehr ich die Geschichte erforschte, desto spannender wurde es», erklärt Aron Candrian und berichtet von einem Testament von Bischof Tello aus dem Jahr 765. Es ist der erste von mehreren Nachweisen zur Weinbaugeschichte in Sagogn. Jetzt, über 1250 Jahre später und nach langer Durststrecke, wächst hier wieder Wein am Rhein.
Er trägt den rätoromanischen Namen Resvegl – Wiedererweckung. Mitschuld an der Erweckung hat auch das katalonische Weingebiet Priorat. Und Bruder Martin. Dieser betreibt eine Weinhandlung in Chur. Infiziert vom Weinvirus hat Martin 2005 mit Bruder Aron und Vater Hannes im Nordosten Spaniens ein Weingut aus dem Dornröschenschlaf geweckt. «Ein Bauchentscheid», erinnert sich Martin Candrian. So kam das weinverrückte Candrian-Trio zu Mas Cantrio, dessen Razzmatazz sich in der Schweiz grosser Beliebtheit erfreut. Kein Wunder, lagern viele Flaschen der Priorat-Cuvée in Sagogns Dorfkern im Keller des Elternhauses.

Das Candrian-Trio: Hannes, Martin und Aron im Resvegl-Rebberg im Osten von Sagogn.
Im Gegensatz zum Razzmatazz ist der Resvegl-Wein nicht im Handel erhältlich. Mit rund 120 Flaschen ist die Produktion viel zu gering. Vor allem aber sind die 400 Quadratmeter Piwi-Reben nicht im offiziellen Rebbaukataster aufgeführt. Der erste Wein am Rhein darf nur zum Eigengebrauch gekeltert werden. Eines Tages soll aber vielleicht auf der wiedererweckten Lage Bregl da Heida offiziell wieder Weinbau betrieben werden dürfen. «Wir nehmen uns Zeit und wollen nichts erzwingen», sagt Aron Candrian. «Zuerst müssen wir aber dafür sorgen, dass unser Wein gut wird.» Der Resvegl-Solaris schlummert 50 Flusskilometer unterhalb Sagogns in der Kellerei von Roman Hermann (mit ihm vinifiziert Candrian seinen Weisswein) in der Bündner Herrschaft, dem bekanntesten Weinbaugebiet der Deutschschweiz – zu dessen Terroirs ja vielleicht irgendwann wieder Sagogn gehört.
Dieser Artikel ist erstmals in der VINUM-Ausgabe 01-02/2017 erschienen.