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Hier lebt es sich gut für einen Höhlenmenschen. Die Tischdecken leuchten weiss wie die Kalksteinfelsen über uns. Schwalben fliegen flink aus dem Gewölbe und ziehen ihre Kreise, als wollten sie sich der atemberaubenden Aussicht vergewissern. Ein Kreislauf zwischen Himmel und Höhle. Das Gewölbe wenige Meter über der Brandung hat das Restaurant «Grotta Palazzese» an der süditalienischen Adriaküste weltbekannt gemacht. Das Meer leuchtet azurblau. Aber ich sehe rot, habe nur Augen für den Wein.

«Ein toller Wein!» Die Augen des Kellners funkeln während er die Flasche entkorkt. War das ein Kompliment? Eine nett gemeinte Floskel? Sein verschwörerischer Blick lässt Raum für Interpretationen. Im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten! Das macht uns zu Komplizen. Zu Verbündeten im Fanclub der sizilianischen Winzerin Arianna Occhipinti und ihrer Weine.

Wir sind zwar in Apulien, aber trinken Sizilien. Im Glas glitzert ihr SP68 Rosso. Die Assemblage aus 70% Nero d’Avola und 30% Frappato hat Occhipinti nach jener Landstrasse im Süden der Insel benannt, an der ihre Weinberge liegen.

SP68 – ein Symbol aus Asphalt

Eigentlich lustig, dass eine naturverbundene Winzerin wie Occhipinti ihren Wein nach einer Strasse benennt und beschildert. Aber es passt. Nicht, weil Occhipinti sich um ihre Street Credibility kümmern müsste, sondern weil die Strada Provinciale 68 als asphaltiertes Symbol ihrer Karriere gesehen werden kann.

Die Strasse führt zum Weingut COS ihres Onkels Giusto Occhipinti, der Arianna als Teenager mit dem Weinvirus infiziert hat. Und als junge Winzerin war sie später mitverantwortlich dafür, dass aus dem Geflecht an Landstrassen rund um die SP68 eine Strada del Vino wurde – mit Wegweisern zu den Winzern und weniger illegalen Mülldeponien.

Ob das der Kellner mit den funkelnden Augen auch weiss? Die Aromen des Weins, den er soeben kredenzt hat, würden ihm jedenfalls eine andere Geschichte erzählen. Von heissen Tagen und kühlen Nächten in den Weinbergen. Von knorrigen Buschreben. Und von lokalen Sorten, die im Glas zu einer eleganten und würzigen Kreszenz zusammenfinden. Nur 12,5 Volumenprozent! Schon krass, wie frisch ein Rotwein sein kann, der fast auf dem gleichen Breitengrad zuhause ist wie die Einwohner von Tunis.

Frischer Frappato fürs Herz

Der SP68 ist Occhipintis Wein der Strasse. Ihr Wein des Herzens ist aber der Frappato. Die sizilianische Rarität bringt in den Augen der Winzerin den Charakter ihrer Heimat – und auch ihren eigenen – am besten auf den Punkt. Frappato punktet mit frischer Eleganz, einer sanften Würzigkeit, und einer Kaskade an roten Fruchtaromen. Rote Johannisbeeren zum Beispiel. Oder frisch gepflückte Erdbeere.

Manchmal fühlt man sich auch an ungesüsstes Erdbeer-Frappé erinnert. Muss wohl am Namen liegen. Und weil man den feingliedrigen Wein auch leicht gekühlt trinken kann – zuhause im Garten oder in einer Höhle am Meer.

Dieser Artikel wurde erstmals in der bz Basel publiziert.