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Der Schweizer Winzer des Jahres und eine junge Önologin reden an der Basler Weinmesse über die Tugenden, Tendenzen und Herausforderungen des Tessiner Merlot.

König und Prinzessin: Starwinzer Claudio Tamborini arbeitet seit 44 Jahren im Familienbetrieb in Lamone, Cristina Monico ist eine der wenigen Tessiner Önologinnen und keltert in der Fattoria Moncucchetto bei Lugano bemerkenswerte Merlots.
Am Montag gastierten zwei Botschafter der Tessiner Weinwelt im Rahmen des Ticinowine Festival an der Basler Weinmesse. Claudio Tamborini (64) aus Lamone ist frisch gekürter Schweizer Winzer des Jahres, zudem hat er mit dem SanZeno Costamagna 2009 den besten helvetischen Merlot des Jahres gekeltert. 2011 belegte die 33-jährige Erfolgsönologin Cristina Monico mit dem Moncucchetto Merlot 2009 für die gleichnamige Fattoria aus Lugano diesen Platz.
Laut Monico haben Tessiner Weinproduzenten zurzeit keinen Grund zur Klage: Ihre Merlots geniessen einen hervorragenden Ruf und der Absatz liegt über dem Schweizer Durchschnitt. Zudem verspricht die frisch eingefahrene Ernte einen qualitativ guten Jahrgang, wie alle befragten Winzer im Kongresszentrum versicherten.
Mehr Feinheit und Tiefe. Richtet man sich nach der Vorliebe von Monico und Tamborini, tendieren die Tessiner Merlots wieder dazu, ihre frische und fruchtigere Seite zu zeigen. «Ich probiere, möglichst trinkfertige Weine zu machen, die dennoch ein hohes Alterungspotenzial haben», sagt Monico. Und Tamborini meint: «Das ist wie mit den Röcken der Frauen – die sind mal kürzer, mal länger.» Der Weingeschmack der Konsumenten ändere sich. Vielleicht sei jetzt wieder der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel. «Ich will keine Weine mit kurzem Wow-Effekt. Ich möchte mehr Feinheit und Tiefe. Tropfen, deren Charakter ich minutenlang im Mund spüren kann. Das fehlt vielen Weinen», erklärt Tamborini.
Auch der Weinhändler Urs Mäder aus Ascona findet, dass die Tessiner Merlots noch konsequentere Wege beschreiten müssen. «Momentan vermisse ich bei vielen Weinen die eigene Handschrift», sagt der Wahltessiner. In seinen Augen müsse man sich stärker auf die Einzigartigkeit des Tessiner Terroirs fokussieren, um sich bei den Merlots von der Restschweiz zu unterscheiden. Die Tessiner müssen nämlich aufpassen, dass ihnen die Westschweiz die Spitzenposition beim Merlot nicht streitig macht. Beim wichtigsten Schweizer Weinwettbewerb, dem Grand Prix du Vin Suisse, platzierten sich vor einer Woche gleich vier welsche Merlots unter den besten fünf. «Das muss uns nachdenklich stimmen», sagt Mäder.
Pilzresistente Traubensorte. Auch der Weinhändler befürwortet eine Rückbesinnung auf fruchtigere Weine aus dem Stahltank. Viele Merlot-Produzenten haben heute Defizite in diesem Segment. Während der letzten zwei Dekaden war nämlich der Ausbau im Eichenholzfass stilprägend. Mitverantwortlich für den dominierenden Barrique-Einsatz, aber auch für den Erfolg des Tessiner Merlots sind zwei Handvoll Deutschschweizer Winzer, die Anfang der 80er-Jahre das Tessin aufmischten und ein regelrechtes Wettrüsten in den Weinkellern auslösten. «Das waren Profis», erinnert sich Tamborini. Während die Tessiner ihr Weinwissen meist von ihren Vorfahren übernahmen, kamen die Impulsgeber aus der Deutschschweiz oft von der Weinhochschule.
Inzwischen verfügen auch viele junge Tessiner Winzer über ein Önologiestudium. Und sie sind drauf und dran, den Wegbereitern von damals den Rang abzulaufen. Zum Beispiel Cristina Monico von der Fattoria Moncucchetto, deren neue Kellerei vom Tessiner Stararchitekten Mario Botta etworfen wurde – ein klares Bekenntnis zum Weinbau. Die Reben des Weinguts liegen nämlich an bester – und teuerster – Wohnlage hoch über Lugano. 2013 will Monico probehalber eine neue, pilzresistente Traubensorte (Piwi) anpflanzen. Erste Versuche verliefen vielversprechend. Im Gegensatz zu anderen Piwi-Sorten dürfte hier nämlich auch die Traubenqualität stimmen. «Sonst hätte dieser Klon bei mir keine Chance», sagt die 33-jährige Tessinerin lachend.
Wenn sich ihr erster Eindruck bestätigen sollte, dürfte die Önologin dereinst spannende neue Rotweine präsentieren können – natürlich auch im Zusammenspiel mit Merlot. Monicos Offenheit gegenüber neuen Sorten – der Piwi-Klon hat noch nicht einmal einen Namen – kommt nicht von ungefähr. Für das Forschungsinstitut Agroscope nahm sie drei Jahre lang die Tessiner Weinwelt unter die Lupe. Die Chancen stehen also gut, dass die kommenden zwanzig Jahre nicht mehr von einem einzigen Trend dominiert werden.
Die Basler Weinmesse findet noch bis am 4. November 2012 in der Halle 4 der Messe Basel statt. Die Weine der erwähnten Tessiner Winzer können am Stand von Ticinowine bezogen werden. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit einzelnen Winzern in Kontakt zu treten.
Dieser Artikel erschien erstmals am 31. Oktober 2012 in der Basler Zeitung.