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Der weltbekannte Käsemeister Bernard Antony hat viel zu erzählen – auch bei seinem Besuch in Basel. Wir haben den Elsässer im Teufelhof zum Gespräch über Rotwein, Blaublüter und Schweizer Käse getroffen.

Weit gereist und tief verwurzelt: Der Elsässer Käseveredler Bernard Antony vor dem Teufelhof Basel.

Wenn Maître Bernard Anthony lächelt, sehen seine Augen aus wie zwei waagrecht stehende Halbmonde. Und der Käsemeister aus dem Elsass lächelt fast immer. Auch an diesem Oktoberabend im Restaurant Bel Etage des Teufelhof Basel. «Lassen sie sich Platz für den Käse», rät er den zahlreich anwesenden Gästen während er mit Charme und Leidenschaft von sich und seinen Kreationen erzählt.

Natürlich stehen dabei seine weltbekannten Rohmilchkäse im Zentrum. Das hält den 69-Jährigen aber nicht davon ab, auch über berühmte Kunden wie Otto von Habsburg oder Prinz Albert von Monaco zu plaudern. Und über die Orte, an denen er Buffets abhalten durfte. Kürzlich begleite er einen kulinarischen «Kreuzflug» nach Indien, Oman und auf die Malediven.

Auch seine Herkunft und seine Anfänge verschweigt Antony bei seinen Ausführungen nie. Schliesslich sind für ihn Käse der Inbegriff regionaler Verbundenheit und Tradition. «Der Teufelhof war 1989 unser erster Basler Kunde», erinnert sich Antony. «Das kommt mir vor wie gestern», schiebt er lachend nach. Auch nach über 30 Jahren im Geschäft wirkt der Elsässer vital, bescheiden und zufrieden. Wir haben uns mit ihm über kastrierten Käse, Rückendeckung von Prinz Charles und seinen Nachfolger unterhalten.

Bernard Antony, warum werden Sie nicht gerne als «Käsepapst» bezeichnet?
Es kann nur einen Käsepapst geben – den Pariser Käsemeister Pierre Androuët, bei dem ich mein Handwerk gelernt habe. Was mich betrifft, gefällt mir die Bezeichnung Käsediener viel besser.

Ihnen ist ein bescheidenes Auftreten offenbar immer noch sehr wichtig.
Man darf nie eingebildet werden! Aber natürlich kann man stolz sein auf sich und seine Produkte, die man in die ganze Welt exportieren darf.

Welcher Käse hat Sie in letzter Zeit am meisten überrascht?
Das war ein Cheddar in England – der war exceptionnel. Und dann natürlich der Gruyère aus der Schweiz. Beide Käsesorten habe ich seit rund zwei Jahren im Sortiment.

Dieses Sortiment umfasst 118 handverlesene Käse. Sind Sie immer noch auf der Suche nach neuen Produzenten?
Ja. Seit zwei Jahren veredle ich auch Schweizer Käse. Zum Beispiel Gruyère, den Waadtländer Alpkäse Etivaz oder Tomme aus der Region Gstaad. Diese Käse sind alle ganz speziell – wegen der Besonderheiten in Weideboden, Milch und Herstellung. Den Käse meiner jährlich bis zu 60 Gruyère-Räder schicke ich in alle Welt von Hong Kong über Singapur bis hin zu Paris, London oder in den Libanon. Dank meinem Kollegen, dem Schweizer Spitzenkoch Philippe Rochat, habe ich hier die entsprechenden Produzenten gefunden.

Nicht nur die Spitzengastronomen profitieren also von Ihnen – es läuft auch umgekehrt?
Bien sûr! Das ist kein Kommerz, das Freundschaft. Die Leute fragen mich immer, wie viele Lieferanten ich habe. Ich entgegne dann: Ich habe keine Lieferanten, ich habe Freunde! Bei uns werden die meisten Bestellungen persönlich via Telefon abgewickelt und kaum via E-Mail.

Wie behandeln Sie Ihre «Schweizer», damit sie Ihren Ansprüchen entsprechen?
Zuerst gehen wir die Käse vor Ort probieren und sondieren die besten aus. Nach dem Wiegen, Stempeln und Bezahlen werden diese noch einmal gelagert – allerdings nicht in unserem Keller in Vieux Ferrette. Der beste Reifeplatz ist immer dort, wo der Käse herkommt.

Ihre Käse werden meist im Zusammenspiel mit Wein genossen. Kann man Käse von ihrer Vielseitigkeit, Komplexität und Lagerfähigkeit her mit Wein vergleichen?
Ja klar, es sind ja beides Naturprodukte. Aber im Gegensatz zum Wein, der nur einmal im Jahr geerntet und gekeltert wird, muss man sich um Käse das ganze Jahr über kümmern – Tag und Nacht. Das ist noch viel komplizierter. Das Wetter, die Jahreszeit, die Milch…all das spielt eine grosse Rolle. Wir haben in unserem Lagerkeller sogar ein Alarmsystem, das per SMS meldet, wenn irgendwo die Kühlung nicht funktioniert.

Gibt es Weine, die überhaupt nicht zu Ihren Kreationen passen?
Viele moderne Weine harmonieren nicht mit meinen Käsen, weil sie zu kräftig sind. Da dominiert in der Nase der Alkohol. Ich brauche offene Weine, keine «Monster». Zu meinen Käsen serviere ich am liebsten gut gelagerte, gealterte Tropfen. Die Winzer, mit denen ich zusammenarbeite, kenne ich wie meine Käsezulieferer alle persönlich – dazu gehören sehr namhafte Produzenten aus dem Burgund und dem Bordelais aber auch Schweizer Winzer wie Donatsch oder Gantenbein aus der Bündner Herrschaft.

Sie sagten einmal: «Pasteurisierter Käse ist wie ein kastrierter Mann, nur Rohmilchkäse ist echter Käse». Wie meinten Sie das?
Ein pasteurisierter Käse ist in meinen Augen ein toter Käse. Er hat weder Kraft noch Crèmigkeit. Man versucht ihm durch Chemie Leben einzuhauchen. Diese Produkte sind halt zum Sofortverzehr gemacht. Ich möchte damit nicht sagen, dass ein pasteurisierter Käse schlecht ist – er ist einfach anders. Natürlich muss es das auch geben – für die Konsumenten ist es einfacher.

Ihr berühmtester Kunde ist Prinz Charles, der Sie vor 20 Jahren unterstützte, als die EU nur noch pasteurisierte Käse erlauben wollte – Rohmilchkäse mit bakterieller Reifung wäre verboten worden.
Prinz Charles hat sich damals als Erster dafür eingesetzt, dass man den traditionellen französischen Käse nicht mit einem Bakterien-Verbot töten darf. Sein Brief an die Behörden war sechs Seiten lang. Das war im Juni 1992, damals hatte ich ein Buffet beim EU-Parlament in Strassbourg, zu dem auch der französischen Ex-Präsidenten Giscard d’Estaing eingeladen war. Danach setzten sich viele Persönlichkeiten aus ganz Europa für die französische Käsetradition ein – nicht nur ich. Am gleichen Tag lernte ich übrigens auch seine kaiserliche königliche Hoheit Otto von Habsburg kennen, der zu meinem Kunden wurde.

Sie veredeln nicht nur Käse sondern haben auch oft Buffets wie das «Wine & Dine» im Teufelhof – wird es Ihnen manchmal nicht zu viel?
Nein. Ich nehme ja nur die Einladungen an, auf die ich Lust habe. Ich war soeben drei Tage in Paris, bald geht es weiter nach Hamburg und vor kurzem hatte ich grosse Buffets in Indien und Kuba.

Und was geschieht während Ihrer Reisen mit den Käsen im Keller?
Ich habe ja meinen Sohn Jean-François zu Hause! Er kümmert sich schon seit über zehn Jahren mit mir um die Käse. Man ist nicht ewig auf dieser Welt, also sollte man alles vorbereiten. Das war mir ganz wichtig. Jean-François hatte soeben ein Antony-Buffet in Thailand, zuvor war er in Washington und bald reist er nach Kalifornien. Er präsentiert unsere Käse zwar anders, aber mit der selben Philosophie. Wir hatten schon viele Anfragen von Geschäften, die unsere Käse verkaufen wollten. Aber wir haben immer nein gesagt. Denn wir wollen nicht zu gross werden und Teil eines Laden-Systems zu sein – sonst verliert man die Kontrolle. Wir sind ein Betrieb mit sechs Personen und dadurch können wir auch unsere «Haute Couture» machen (der Vergleich stammt von Modezar Karl Lagerfeld, Anm. d. Red.). Dass Kunden 300 bis 400 Kilometer fahren, um bei uns Käse zu kaufen ist ganz normal.

Was haben Sie für eine Beziehung zu Basel?
Hier hatte ich viel mit der Familie Beyeler zu tun. Als Ernst Beyeler 70 Jahre alt wurde rief mich seine Frau Hildy an und sagte: «Bernard, du musst den Geburtstag meines Mannes organisieren!». Ich entgegnete: «Das ist nicht so simpel!». Ihre Antwort: «Ich will das gar nicht wissen, mach einfach!». Aber eigentlich bin ich öfter in Zürich, Lausanne, Genf und in internationalen Grossstädten.

Erlebten sie schon einmal, dass ihr Käse in haarsträubender Kombination genossen wurde? Ähnlich wie wenn ein Spitzenwein mit Cola verdünnt wird.
Nein, ich habe immer sehr respektable Kunden. Aber ich machte einmal ein Buffet an einem Gala-Dinner im Badrutt’s Palace in St. Moritz. Da haben die Leute meinen Ausführungen zum Käse nicht zugehört. Also sagte ich: «Wenn euch das nicht interessiert, dann kann ich auch wieder gehen». Die Bediensteten meinten dann, ich könne das doch nicht machen – schliesslich hätte man mich dafür angestellt und bezahlt. Aber ich entgegnete: «Ich muss das sagen, denn ich mache es! Ansonsten gebt mir das Geld wieder zurück.» Danach hörten sie zu (lacht).

Haben Sie noch Visionen?
Ja, noch viele. Ich möchte die Käse-Tradition erhalten und viele Kunden weltweit zufrieden stellen.

Dieser Artikel wurde erstmals am 2. November 2012 auf bazonline.ch veröffentlicht.