Schlagwörter
Bickensohler Riesling, Canaiolo, Colorino, Genossenschaft Bickensohl, Hinterzarten, Hotel, Montevertine, Parkhotel Adler, Riesling, Sangiovese, Schwarzwald, Titisee, Toskana
Himmel und Hölle liegen manchmal dicht beeinander – so wie Titisee und Hinterzarten. Die Ortschaften im Schwarzwald trennt eigentlich nur ein Hügel, ein Moor und, natürlich, ein dichter Tannenwald. Und doch liegen Welten dazwischen. Titisee kommt daher wie die Karikatur eines deutschen Postkarten-Dörfchens: Zwischen historischen Bijoux finden sich viele hässliche Häuser und Hotels und die Fussgängerzone wird dominiert von Souvenir-Läden mit dem Kitsch, den es an Orten mit vielen Senioren und Japanern halt so zu kaufen gibt.
Auch die meisten Restaurants lassen stilbewusste Menschen erschaudern: Touri-Fressbuden, die den verstaubten Charme einer Autobahnraststätte versprühen. Mit Massenabfertigung und Sitzgarnituren aus Stoff, den unsereins nicht einmal als Duschvorhang dulden würde. Der Tiefpunkt: Das NPD-Plakat beim Bahnhof: «Geld für die Oma statt für Sinti und Roma». Omas hat es jedenfalls genug in Titisee – Junge sind eher selten anzutreffen. Ebenso vernünftig gekleidete Menschen.
Aber was motze ich eigentlich?! Die hier geschilderten Eindrücke markieren – und dramatisieren – lediglich die letzten Minuten eines wunderschönen Wochenendes im Schwarzwald. Ich war nämlich im Himmel jenseits des Hügels: Im Parkhotel Adler in Hinterzarten. Einem altehrwürdigen Fünfsternhaus, das sich seit Menschengedenken in Familienbesitz befindet. (Achtung: Die folgenden Beschreibungen beziehen sich aussschliesslich auf das Hotel und dessen malerische Umgebung, nicht auf das Dorf Hinterzarten; dennoch finde ich den Himmel-Hölle-Vergleich mit Titisee nach zwei Ortsdurchfahrten absolut angebracht.)
Das Parkhotel ist der perfekte Ort für einen Kurzurlaub: Die Zimmer sind gemütlich, gediegen und dennoch rustikal. Die Wellnessanlage ist grosszügig, vielseitig und auch für Kinder geeignet. Die Lage am Dorfrand ist kaum zu übertreffen: An den unendlich erscheinenden Hotelpark schmiegen sich Tannenwälder, Kuhweiden und eine Moorlandschaft, wie man sie in der Region nur im Schwarzwald findet. Kein Wunder, fühlt sich der Santiglaus hier wohl. Einzig die Hotelgänge riechen stellenweise etwas muffig. Und dass die eine versiegelte Magnumflasche Château Mouton Rothschild einfach so als Dekoration rumstehen lassen, irritiert auch ein bisschen. Es muss sich um eine Fälschung handeln.
Nun aber zum Wein, der bei einem rustikalen Mahl (Lachs mit Spätzle) in der «Wirtshus»-Stube getrunken wurde. Den Auftakt macht natürlich der Local Hero: Ein Bickensohler Riesling 2009, trockener Qualitätswein der Genossenschaft Bickensohl. In der Nase offenbart der Tropfen frische Apfel-, Birne- und Pfirsichnoten, dazu ein Hauch Melone; auch a bisserl Mineralisch ist der Gute. Im Mund dann ebenfalls eine frische Frucht (vor allem Apfel) und viel Säure. Prickelnd. Der Abgang ist unerwartet lang, aber auch etwas herb, dazu angenehm exotische Nuancen. Ein guter Auftakt, nach dem sich die tonangebenden Ladies am Tisch von einem Italiener verführen lassen.
Der Casanova heisst Montevertine 2006, kommt aus den heiligen Hügeln des Chianti, wird aber nicht prominent als solcher etikettiert. Die Assemblage aus Sangiovese (90%), Canaiolo und Colorino könnte genauso gut ein Supertuscan aus Bolgheri sein: Ein Bukett von betörender reifer Frucht – rot und v.a. schwarz; da paaren sich Kirsche und Brombeere mit Barrique-Noten wie Vanille, Eiche, subtilem Pfeffer und Tabak. Je länger der Herr sich im Glas breit macht, desto mehr kommt das Holzfass zum Vorschein. Im Mund ist er erstaunlich frisch und fruchtig mit einer herben Note im Abgang. Sanft und samtig in Sachen Tannine und Säure, wobei diese mit der Zeit deutlicher hervortritt. Ein toller Wein, auf der Karte zwischen Sassicaia und Tignanello platziert, verweist er diese mit seinem Preis-Leistungs-Verhältnis af die Plätze.
Perfekt fürs Paradies. Dafür nimmt man später auch die Sandalen, Socken und Schlapphut tragenden Vogelscheuchen in Titisee in Kauf. Ist ja wie Entertainment ohne Fernbedienung.