Der zweite grosse Tag des Weinexperiments: Zehn Tage nach der Ernte wurde heute die durchgegorene Maische abgestochen und abgepresst. Wobei «abgestochen», so schön es auch tönt, leider nicht ganz zutrifft. Eher abgelöffelt. Denn anstatt mit einem Abstech-Schlauch kamen die 33 Kilo Traubenbrühe mit einem hundsnormalen Messbecher in die 25-Liter-Mostpresse.
Das liegt daran, dass ich ein verdammt beschäftigter Mann bin und wegen so wichtigen Terminen wie dem exzellenten «Wine & Dine» mit Käsemeister Bernard Antony im Teufelhof, der Traum-Hochzeit meines Freundes und meinem WSET-Weinkurs (Level 2) eine halbe Woche zu spät dran war. Die Gärung stoppte nämlich bereits nach sechs Tagen. Wenn sich das nur nicht rächt und ich im kommenden Frühjahr einen oxidierten Wein degustieren muss! Aber wie sagte mir Mentor Maurizio so schön: «Joël, du musst Fehler machen!». Ich will lieber nicht wissen, wie viele Unkorrektheiten ich in meinem eineinhalbwöchigen Hobbywinzerdasein bereits begangen habe. The hard way halt.
So kam es also, dass die Maische beim Abpressen aus einem wirren Durcheinander aus Beerenfleisch, Traubenhäuten, Saft und Kernen bestand. Unmöglich, dies per Schlauch abzustechen. Vier Tage vorher hatte ich in meinem Gär-Bottich noch einen dicken Tresterhut, der einem purpurfarbenen Teppich gleich obenauf schwimmt, während der klare Traubensaft darunter vor sich hin blubberte. Rund fünf Tage ging das so.
Was für ein Glücksmoment als es mit der Gärung am 15. Oktober, zwei Tage nach der Ernte, so richtig losging! Da waren die Oechsle bereits von 82 auf 74 Grad runtergepurzelt. Fortan ging es munter bergab mit 15 bis 20 Grad Oechsle weniger pro Tag – je nachdem, ob ich mit dem Refraktometer oder der Mostwage kontrollierte. Gegen Ende der Gärung konnte ich allerdings kaum mehr vernünftig messen: Die Senkspindel der Mostwaage küsste den Boden des zu kurzen Glasbehälters – der obere Teil war weggebrochen. Ich hätte mir während den Messungen an der Abbruchkante fast die Pulsadern aufgeschnitten. Das wäre ein Wein geworden. Stierenblut! Und das Refraktometer eignet sich zur Oechsle-Bestimmung vor allem im Rebberg und – so glaub ich – weniger während der Gärung im Keller. Oder? Weiss jemand, ob man mit dem Refraktometer überhaupt alkoholhaltigen Traubensaft analysieren kann? Zumindest am Anfang der Gärung korrellierten die Messungen der beiden Geräte jedenfalls – später eher weniger.
Zurück zum Abpressen. Das war ein Gaudi. Da löffelte ich also mit Hilfe meiner zwei kleinen Engelchen und Maurizio einen Messbecher nach dem anderen zuerst in die Mostpresse und danach durch ein Sieb in die Bauchflasche. Um ein Haar wäre das 25-Liter-Teil voll geworden. Aber nur fast: Schätzungsweise 22 Liter «Wein» haben die 33 Kilo Trauben hergegeben. Das heisst, mein Jungwein schlummert nun in einem nicht vollständig gefüllten Behälter, die Oberfläche mit Luftkontakt ist unnötig gross und ich riskiere, dass der Wein oxidiert. Wieder einmal. Man kann im Keller ja auch die falschen Geschmacks-Nuancen fördern. Darin schein ich gut zu sein. Vielleicht finde ich noch eine geeignetere Flasche – und dann würde die Sau abgestochen!
Ich bin gespannt, wie sich der Jungwein entwickelt. Der für die «Chatzeseicherli»-Trauben typischen Foxton lässt sich jedenfalls nicht leugnen. Es war extrem interessant, zu beobachten, wie die Gärung aus dem zuckersüssen Traubenmost eine prickelnde, bittersaure Brühe gemacht hat. In den folgenden Monaten sollte nun der Biologische Säureabbau (BSA) dafür sorgen, dass aus diesem Jungwein – oder Dummwein? – doch noch ein weinähnliches Getränk wird. Beim Abpressen hat es im Keller immerhin schon wie bei einem richtigen Winzer gerochen. Hurra!
PS: Mindestens so lang wie das Abpressen der Maische dauert die Kellerreinigung danach. Ihr wisst gar nicht wie hartnäckig Traubensaft auf Kachelboden haften bleiben kann! Doch wie heisst es so schön: Winzer sind Waschweiber. Habe ich irgendwo gelesen, glaub ich.
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